Führungsqualitäten oder: Lieber ein Logenplatz beim Opernball als ein Freitisch in der Suppenküche

Worin bestehen eigentlich die Führungsqualitäten unserer Politiker? Friedbert Pflüger und Ernst Welteke gaben darauf kürzlich eine Antwort.

Chuzpe ist ein Wort, das auf unseren Friedbert angewendet, einen geradezu unverschämten Euphemismus darstellt. Da behauptet doch der außenpolitische Versprecher der CDU, dass er nicht deshalb Bushs Irakkrieg zugestimmt habe, weil ihm sein angeborenes Vasallentum keine andere Wahl ließ, sondern weil er sich auf Informationen des Bundesnachrichtendienstes verlassen habe, wonach der Irak über mobile Biowaffenlabore verfügt habe. Da sich inzwischen aber selbst in CDU-Kreisen herumgesprochen hat, dass diese Biowaffenlabore nirgends sonst als in Colin Powells Powerpoint-Präsentation existierten, wälzt unser Friedbert die Schuld auf die Bundesregierung ab. Denn Pflüger Friedbert behauptet, dass es der BND gewesen sei, der dem amerikanischen Geheimdienst die fragwürdige Information über mobile Labore weitergegeben habe. Entweder hätten die Schlapphüte vom BND schlampig gearbeitet oder die Bundesregierung habe diese Informationen fahrlässig weitergegeben, was immer man darunter auch verstehen mag. Folglich sei die rot-grüne Regierung nicht nur Schuld am Irakkrieg, sondern auch an der moralischen Verkommenheit der CDU, die einen Krieg guthieß, der nie hätte geführt werden dürfen. Zu dieser Chuzpe kann man Friedbert nur gratulieren. Mit solchen sophistischen Winkelzügen hätte Pflüger, der einmal persönlicher Referent von Ex-Bundespräsident Richard von Weizäcker gewesen ist, selbst für Hitler vorm Nürnberger Kriegsverbrechertribunal einen Freispruch erwirkt.

Weltekes Führungsqualitäten liegen dagegen weniger auf der intellektuellen Ebene als vielmehr auf der kulinarischen. Dennoch kann man das, was Welteke heute morgen gesagt hat, kaum minder dreist nennen. Wenn er gewusst hätte, beteuerte er, wie teuer sein Aufenthalt in Deutschlands teuerstem Hotel gewesen sei, hätte er diese Zumutung nicht angenommen. Mit Zumutung meint der Mann mit einem Jahresgehalt von 350.000 EUR, die 7661,20 EUR, die die Dresdner Bank für den Familienspaß im Adlon aus der Portokasse gezahlt hat. Wenn er also gewusst hätte, wie teuer so eine Nobelherberge ist, hätte er sich die Zumutung eingeladen zu werden, nicht gefallen lassen. 7661 Euro und zwanzig Cent als Zumutung zu bezeichnen, dass ist fast noch dreister als der in die Geschichte der Arroganz eingegangene Spruch von den berühmten Peanuts.

Wer nun bezweifelt, ob ein Mann, der über die hiesigen Hotelpreise dermaßen schlecht informiert ist, in der Lage ist, die Bundesbank zu führen, sollte bedenken, dass es bei solchen Jobs in erster Linie auf Arroganz, die Führungsqualität par excellence ankommt. Dass er davon nicht zu wenig hat, dürfte er wohl bewiesen haben. Dennoch hat Welteke jetzt einen großen Fehler begangen. Er hätte die 7661 Euro und zwanzig Cent nicht als teuer und Zumutung, sondern als absolut unbedeutende Lapalie bezeichnen sollen, als einen läppischen Betrag, der so klein und unbedeutend ist, dass ein Bundesbankpräsident, der gewohnt ist, in TEUR zu denken, sich damit geistig kaum beschäftigen kann. Denn wer so viel Respekt vor 7,6 TEUR hat, der taugt nicht zum Bundesbankpräsidenten!

Retten könnte ihn indes die Tatsache, dass er von der Oesterreichischen Notenbank zum Wiener Operball eingeladen wurde, wo ein Logenplatz gleich fünfstellige Eurobeträge verschlingt. Dies sei aber, sagt sein Gastgeber Klaus Liebscher von der Oesterreichischen Notenbank, völlig normal. Auch andere Notenbankchefs würden regelmäßig zum Opernball eingeladen, dies sei eben die in diesen Kreisen übliche Kontaktpflege.

Während in Deutschland die Suppenküchen wie weiland 2000 die Dotcom-Startups aus dem Boden schießen, trifft man sich in Bankerkreise nicht am Imbissstand am Mainufer, sondern bei Kaviar und Sekt auf dem Wiener Opernball. Kulinarisch völlig in Ordnung. Eine solche Einstellung zeichnet führungsstarke Persönlichkeiten aus! Sie lassen sich weder von der Wahrheit, noch vom Elend um sie her in der Gewissheit beirren, dass der Logenplatz beim Wiener Opernball einem Freitisch in einer Suppenküche allemal vorzuziehen sei.

Fazit: Im Irak hat es Powells mobile Biowaffenlabore nie gegeben, an die mobilen Suppenküchen in unseren Städten werden wir uns dagegen gewöhnen müssen. – Solingen den 7. April 2004