Legalize it! oder Kritische Solidarität mit Martin Hohmann

Große Aufregung unter den Anhängern eines gemäßigten Antisemitismus. Martin Hohmann soll aus der CDU ausgeschlossen werden. Da bekommt so mancher es mit der Angst zu tun. Verlieren die Antisemitchen nun etwa ihre politische Heimat? Eine Initiative will das verhindern und ruft zur kritischen Solidarität mit Martin Hohmann auf.

An die vielen Antisemitchen in Deutschland muss man sich wohl oder übel gewöhnen. Sie kommen und gehen, steigen hoch auf fast 18 % und fallen auch wieder aus allen Wolken herunter. Es gibt sie in allen Parteien, ob sie in der FDP hocken und Jürgen W. Möllemann heißen oder Klaus von Dohnanyi und trotz allem nicht aus der SPD ausgeschlossen werden. Nur zur Erinnerung: Anlässlich der Walser-Bubis-Debatte hat der adlige Sozialdemokrat in der FAZ gesagt, auch die jüdischen Bürger in Deutschland müssten sich fragen, ob sie sich so viel tapferer als die meisten anderen Deutschen verhalten hätten, wenn nach 1933 nur die Behinderten, die Homosexuellen oder die Roma in die Vernichtungslager geschleppt worden wären, womit er wohl sagen wollte, dass bloß ein dummer Zufall aus den arischen Deutschen Täter und aus den jüdischen Opfer gemacht hat. In den anderen Parteien heißen sie Karsli und fliegen spät aber immerhin dann doch noch raus aus der grünen Partei oder eben Hohmann, der nun aufgrund des Mediendrucks aus der CDU ausgeschlossen werden soll. Ein gemäßigter Antisemitismus scheint zur europäischen Zivilisation irgendwie a priori dazu zu gehören. Und da sich die Union als Speerspitze des christlichen Abendlands und Bollwerk gegen die Türken betrachtet, ist es auch kein Wunder, dass der begeisterte Reservist und Hobbyantisemit Hohmann bei der Parteibasis so beliebt ist. Denn er versteht es blendend, die verstaubtesten antisemitischen Vorurteile wieder aufzukochen und daraus ein Süppchen herzurichten, bei dessen Anblick den Antisemitchen das Wasser im Munde zusammenläuft. So eine Kost möchte man natürlich nicht missen.

Kritische Solidarität mit Martin Hohmann, das hört sich an wie die politisch korrekte Variante einer Stürmer-Schlagzeile. Wie, um Himmels Willen, soll denn kritische Solidarität mit einem Antisemitchen aussehen? Sollen wir uns mit dem netten, aber leider etwas dümmlichen Martin solidarisieren und den Politiker kritisieren, der bei seinen tiefgründigen historischen Studien, wie die arischen Deutschen in die SA und die jüdischen in die KZs, aus purem Zufall über diese antisemitischen Zutaten gestolpert ist und diese nun regelmäßig zur Abrundung seiner Reden gebraucht? Oder sollen wir uns mit dem Antisemiten solidarisieren und den dümmlichen Martin kritisieren, der so eitel war, sein Machwerk im Internet zu veröffentlichen, wo es jeder lesen konnte?

Kritische Solidarität kann natürlich auch sozialpädagogisch gemeint sein. Vielleicht sehen die Initiatoren des Aufrufs in Martin Hohmann einen adoleszierenden Hinterbänkler und in dem jüdischen Bolschewismus, von dem Hohmann sicher rein zufällig so fasziniert ist, eine Art Einstiegsdroge, sozusagen Marihuana für Antisemiten. Und so wie man kleinen Kiffern eine zweite Chance gibt, so sollte man auch kleinen Antisemitchen zeigen, dass man sie trotzdem lieb hat.

Nun hat die Geschichte aber zweierlei gezeigt. Erstens ist es höchst euphemistisch, das Zeug, das die Antisemiten da gewöhnlich rauchen, als Einstiegsdroge zu bezeichnen. Und zweitens gibt es noch kein Metadon, mit dem man Antisemiten den Ausstieg aus ihrem illuminierten Horrortrip ermöglichen könnte. Ich kann ja verstehen, dass uns mittlerweile aus allen braunen Löchern ein beherztes »Legalize it!« entgegenschallt, doch so gerne ich jedem Durchschnittsbürger sein tägliches Quantum Marihuana gönne, so ungern sähe ich es, wenn die Antisemitchen sich nun in aller Öffentlichkeit eine line nach der anderen reinziehen dürften. Kokser sind immer so aufgedreht und endlösungsorientiert! In anderen Kulturen mögen die Leute vielleicht in der Lage sein, mit Drogen vernünftig umzugehen, in Deutschland sind sie es ganz sicher nicht!

Deshalb fürchte ich auch, dass mit kritischer Solidarität so etwas wie die sokratische Geburtshilfe gemeint ist. Fritz Schenk, ehemaliges SED-Mitglied, ehemaliges SPD-Mitglied und vielleicht auch bald ehemaliges CDU-Mitglied, und die 1600 Unterzeichner seines Aufrufs, von denen vielleicht einige gar nicht wissen, das sie in kritischer Solidarität fest zu Martin Hohmann stehen, sind jedenfalls der Meinung, dass Hohmanns Rede nicht antisemitisch sei. Ja, reicht ihnen das denn immer noch nicht? Muss der arme Hohmann denn noch deutlicher werden? Wollen die Initiatoren das? Glauben Sie, dass aus Hohmann noch ein ausgewachsener Antisemit werden kann? Kritische Solidarität mit dem Nachwuchs ist natürlich immer zu begrüßen. Ob Hohmann aber irgendwann eine Rede zu Stande bekommt, die nicht nur ein Leistungskurs Geschichte als antisemitisch erkennen würde, sondern auch ein Fritz Schenk, halte ich für äußerst fraglich. Ich finde, Hohmann hat lange genug Zeit gehabt, zu üben. Mehr als eins der vielen deutschen Antisemitchen wird aus ihm nicht. – Solingen den 25. November 2003