Privatisierung des Wirtschaftsministeriums

Die Bundesregierung muss bekanntlich sparen, zu drückend ist die Schuldenlast, die unsere Volksvertreter in den letzten Jahrzehnten aufgetürmt haben. Das hat Gerhard Schröder schon vor Jahren erkannt und ließ das Wirtschaftsministerium outsourcen. Bald sollen weitere Ministerien folgen und auch eine Privatisierung des Parlaments ist bereits im Gespräch.

Als Wirtschaftsminister werden gemeinhin Politiker berufen, für die kein nützliches Ressort mehr frei war, als es um die Verteilung der Pfründe ging. Das war schon immer so, denn das Wirtschaftsministerium ist so überflüssig wie die Minister, die ihm vorstehen. In Zeiten leerer Kassen kann man sich jedoch den Luxus einer dermaßen üppig ausgestatteten Versorgungsstelle für Parteifunktionäre nicht mehr leisten. Schon vor Jahren, als Jürgen W. Möllemann wegen der Einkaufschip-Affäre zurücktreten musste, hätte man das Ministerium auflösen sollen. Leider hat man dies nicht getan. Erst Gerhard Schröder handelte und ließ das Wirtschaftsministerium privatisieren.

Nach einer in der Presse kaum beachteten europaweiten Ausschreibung bekam schließlich ein Konsortium aus großen Strom- Stahl- und Kohleunternehmen den Zuschlag für das Wirtschaftsministerium. Entscheidend für die Vergabe des kostspieligen Ministeriums an das zahlungskräftige Konsortium war vor allem, die jahrzehntelange Erfahrungen, die die Betreiber mitbrachten. Spätestens seit der geistig-moralischen Wende von Helmut Kohl hatten die Konzerne alle wesentlichen Gesetzesvorlagen des Ministeriums formuliert und sich damit ein Know-how erworben, das in diesem Ressort von keinem Konkurrenten übertroffen wird.

Die Übernahme aller Kosten für ein ganzes Ministerium einschließlich aller nachgeordneten Behörden verband das Betreiber-Konsortium jedoch mit einer Bedingung. Die Position des Ministers sollte nicht mehr mit einem nirgends sonst unterzubringenden Politiker besetzt werden, sondern mit einem in der Branche erfahrenen Manager. Dies ist mit der Berufung Werner Müllers bekanntlich auch geschehen. Nachdem aber Müller den Ausstieg aus der Atomkraft erfolgreich verhindert hatte und zurücktrat, musste ein anderer Manager gefunden werden. Da diese aber gerade unabkömmlich waren, weil es in Zeiten der Rezession besonders schwierig ist, vor den Aktionären die Vervielfachung seines eigenen Gehalt zu rechtfertigen, schlug Gerhard Schröder dem Konsortium den Berufsquerulanten Clement vor. Das Konsortium zögerte keinen Augenblick und nahm den Vorschlag des Bundeskanzlers an, immerhin hatte Clement mehrfach bewiesen, dass er das Gemeinwohl nur dann befördert, wenn es sich mit dem Wohl der Kohle-, Stahl- und Stromkonzerne deckt. Eine Entscheidung, die das Konsortium bis heute nicht bereut haben dürfte, kämpft Clement doch wie ein Tiger gegen das Kyoto-Protokoll, gegen die EU und sogar gegen Jürgen Trittin, der schon so manchen Wirtschaftsminister hat kommen und gehen sehen.

Das Zerobudget-Outsourcing-Modell, Zerobudget ist Neudeutsch und bedeutet, alle Kosten werden vom Betreiber übernommen, das Zerobudget-Outsourcing-Modell ist so erfolgreich, dass die Regierung darüber nachdenkt, weitere Ministerien zu privatisieren und sich damit lästige Telefonanrufe der Lobbyisten zu ersparen. Ein Selbstbedienungs-Konsortium aus Pharmafirmen, Ärzteverbänden und Apothekervereinigungen hat bereits Interesse am Gesundheitsministerium durchblicken lassen. Eine Betreibergesellschaft unter Führung einer Firma aus Saudi-Arabien ist bereit, alle Mitarbeiter des Innenministeriums zu übernehmen, falls es den Zuschlag für Otto Schily bekommt. Rüstungsfirmen aus den USA, die bereits die dortige Regierung betreiben, haben großes Interesse an der Bundeswehr und dem Verteidigungsministerium. Besonders groß ist das Gerangel um das Ressort von Hans Eichel, um das sich alle größeren Banken und Versicherungen bewerben.

Allerdings finden sich auch auf Seiten der Wirtschaft immer mehr Kritiker des Outsourcing-Modells. Die Betreibergesellschaften klagen mittlerweile über die hohen Lohnkosten in den Ministerien und möchten den Standort am liebsten von Berlin nach Osteuropa oder China verlagern. Spätestens dann, wenn die besonders lohnkostenintensiven Parlamente privatisiert werden, dürfte diese Diskussion zu ersten Konsequenzen führen. Was den Bundestag anbelangt, so gibt es bereits intensive Gespräche mit den Chinesen, die ehemalige Abgeordnete aus dem Volkskongress günstig abgeben wollen. Der Bundeskanzler lobte bei seiner letzten Chinareise die Disziplin der chinesischen Abgeordneten, die stets gerade, still und aufmerksam dasitzen, während die Führung ihre Reden abliest, und in regelmäßigen Abständen an vorher festgelegten Stellen in rhythmisches Applaudieren verfallen. Die nächste Agenda-Rede, so war aus seiner Umgebung zu hören, möchte der Bundeskanzler am liebsten bereits vor Chinesen halten.

Meines Erachtens löst die zögerliche Privatisierung von Parlament und Regierung unsere Probleme nur zum Teil. Wir müssen endlich Nägel mit Köpfen machen! Lasst uns das deutsche Volk als Ganzes privatisieren! Verlegen wir den Standort Deutschland in die asiatische Steppe! Dort sind Löhne und Gehälter konkurrenzlos niedrig, und die geizig-geilen Deutschen können auf den mongolischen Pferdemärkten vom Teuro ungestört auf Schnäppchenjagd gehen. – Solingen den 26. März 2004