Neoliberalismus für Autofahrer erklärt

Seit Jahren wird vor dem Neoliberalismus gewarnt. Der durchschnittliche Autofahrer, bekanntlich die größte Wählergruppe in Deutschland, hat alle diese Warnungen bisher in den Wind geschrieben. Doch nun wird er umdenken müssen, denn – wir werden alle sterben! – die A1 ist kaputt.

Die Leverkusener Brücke, über die die A1 führt, ist seit Ende November 2012 für Fahrzeuge über 3,5 Tonnen in beiden Richtungen gesperrt. Damit spürt nun endlich auch der deutsche Autofahrer die Auswirkungen des Neoliberalismus. Wer kriminellen Banken Milliarden in den Hintern schiebt, hat natürlich kein Geld mehr übrig, um wichtige Infrastrukturprojekte wie zum Beispiel Autobahnbrücken instandzuhalten. Deshalb moderte die Brücke schon seit einiger Zeit vor sich hin, bis das NRW-Verkehrsministerium nun offenbar die Reißleine gezogen und eine Teilsperrung der Brücke verordnet hat.

Dass unser Schulsystem seit Jahrzehnten unterfinanziert ist und einen Jahrgang nach dem anderen in eine von oben verordnete Unmündigkeit entlässt, interessiert den deutschen Autofahrer nur solange er selbst Kinder hat, die unter diesem maroden System leiden. Ist die Hoffnung dahin oder das Abitur trotzdem geschafft, rangiert das Interesse für das Bildungswesen in Deutschland noch hinter dem Interesse für frierende Asylsuchende am Brandenburger Tor in Berlin.

Dass der Neoliberalismus in Deutschland einen Armutsboden bereitet hat, aus dem die so genannten Tafeln wie Pilze aufschießen, interessiert den durchschnittlichen Autofahrer auch nur am Rande. Dass dort bedürftige Menschen als Almosen entgegennehmen müssen, was ihnen eigentlich laut Grundgesetz zusteht, auch das ist für den deutschen Autofahrer keine Schande, solange die Tafeln nicht sein engstes Wohnumfeld verschandeln.

Dass es seit Jahrzehnten verkehrspolitisch in die völlig falsche Richtung geht, weil neoliberale Politiker beschlossen haben, man müsse die Bahn privatisieren, interessiert den deutschen Autofahrer dermaßen peripher, dass man ihm diesen Sachverhalt erst einmal in verständlichen Worten erklären müsste. Ich will es einmal versuchen. Da der Güterverkehr auf der Schiene keine großen Gewinnen abwarf, haben die neoliberalen Politiker diesen zum Abschuss freigegeben. Deshalb wachsen seit Jahren auf ehemaligen Güterbahnhöfen neue Stadtteile in die Höhe. Was der deutsche Autofahrer als Zeichen des Fortschritts missversteht, ist in Wirklichkeit die freiwillige Zerstörung einer in Jahrzehnten gewachsenen Infrastruktur. Was die alliierten Bomber zerstörten und im Nachkriegsdeutschland mühsam wieder aufgebaut wurde, seit den 70er Jahren wird es von verantwortungslosen, autogeilen Politikern vernichtet.

Nun aber hat der Neoliberalismus des deutschen zweitliebstes Kind erreicht, die Bahn für ihr liebstes Kind. Noch dürfen Pkw über die Brücke fahren. Dass es aber so bleibt, ist keineswegs sicher. Sollte die Brücke, die eigentlich bis 2050 halten sollte, maroder sein als bisher bekannt, wird sie für den gesamten Verkehr gesperrt.

Ein Neubau dauert Jahre. Aber an Neubau ist wegen der Haushaltskrise gar nicht zu denken. Alles Geld, und davon gibt es im Moment reichlich, fließt an Hedgefonds und kriminelle Banken. Wir haben Rekordeinnahmen bei den Steuern, aber beim Bürger kommt davon nichts an.

Natürlich wäre es nun richtig, über Alternativen im Güterfernverkehr nachzudenken und der Schiene wieder Vorfahrt zu geben. Da wir aber alle Güterbahnhöfe mittlerweile in Mediaparks umgewandelt haben, müssten wir auch da viel Geld investieren. Und das Geld fließt ohnehin – so will es die neoliberale Ideologie – an die Banken und Hedgefonds.