Erfolg und Misserfolg

Erfolg ist ein goldener Käfig. Der Zwang, das Erfolgreiche zu wiederholen, ist groß. Der Misserfolg dagegen lässt uns die Freiheit, das Erfolglose weiter zu probieren oder etwas anderes zu beginnen.

Der Weg des Erfolgs gräbt sich immer tiefer in die Landschaft unserer Seele, bis er zum Canyon wird, dessen steile Wände uns den Blick auf den Horizont versperren.

Der Misserfolg dagegen ist eine flache Ebene ohne einen Pfad zu den Bergen des Erfolgs in der Ferne. Wir wenden uns mal hierhin, mal dorthin, ohne die ersehnten Höhen jemals zu erreichen.

Kürzlich lernte ich eine Künstlerin kennen, die einige Anerkennung erfährt und von dem Verkauf ihrer Werke bescheiden leben kann. Zunächst erschien mir ihre Situation, bei allen finanziellen Einschränkungen, beneidenswert zu sein. Doch dann ging mir auf, dass sie einen Namen hat, an dem bereits ein Etikett klebt. Der Markt erwartet Werke von ihr, die dieser Marke entsprechen. Wenn sie von dem einmal eingeschlagenen Weg des Erfolgs abweicht, riskiert sie, ihren Marktwert zu verlieren.

Irgendwann aber läuft sich alles tot. Die Kunst wird zur Masche. Spätestens dann muss der Künstler die steilen Wände des Canyons hinaufklettern. Für manche wird dies ein Befreiungsschlag, den der Markt als neue Phase im Leben des Künstlers feiert. Andere stürzen ab und machen innerlich zerbrochen weiter wie bisher. Und wieder andere entkommen dem Canyon, um sich in der Ebene des Misserfolgs zu verlieren.

Ob jemand die fernen Berge des Erfolgs, die die öde Ebene umkränzen, erreicht, weiß ich nicht, denn von dort kam noch niemand zurück. Auf ihnen bestatten die Menschen die Künstler, die in den Canyons starben.