Aufstand in Teheran: das Web gegen die Diktatur der Mullahs

Vor 30 Jahren vertrieben die Iraner den Schah, um sich stante pede von Ayatollah Khomeini ins geistige Mittelalter führen zu lassen. Eine Katastrophe für das Land und die gesamte Region, die seither unter religiösem Fanatismus zu leiden hat. Nun 30 Jahre später regt sich offener Widerstand gegen die bärtigen Mullahs und ihr theokratisches Terror-Regime, und die Web-Generation ist mitten drin im Kampf um mehr Freiheit.

Die Internationalen Brigaden des Internets

Im spanischen Bürgerkrieg kämpften Menschen aus aller Welt in den Internationalen Brigaden für die gewählte, demokratische Regierung gegen die von Franco angeführten Faschisten. Der spanische Bürgerkrieg war für eine ganze Generation von Sozialisten, Kommunisten, Anarchosyndikalisten und andere Antifaschisten aus aller Welt ein einschneidendes, prägendes Erlebnis. Sie alle kämpften an der spanischen Front gegen den Faschismus, der in Italien und Deutschland gerade erst den Siegeszug angetreten hatte und verband sie über alle nationalen Grenzen hinweg. Das alles ist lange her.

Eine ähnliche Bedeutung könnte für eine ganze Generation von Internet-Benutzern heute der Freiheitskampf im Iran bekommen. Während die etablierten Medien rund um die Welt den Zorn der Iraner über die getürkte Wahl nachlässig übersahen, verbreiteten sich die Nachrichten über die Demonstrationen in Windeseile über Twitter, Youtube, Flickr und die Blogosphäre. Ohne das Internet hätte die Welt die Brisanz der Demonstrationen im Iran erst sehr viel später erkannt. Erst als CNN und andere Nachrichtensender wegen ihrer Passivität im Internet heftig angegriffen wurden, haben sie reagiert und berichten seitdem intensiver über die Geschehnisse.

Das Regime in Teheran reagierte da schon fast schneller als die westlichen Medien. Die Internetkommunikation wird seit Beginn der Demonstrationen massiv gestört, zeitweise wurden die Handynetze komplett abgeschaltet. Doch die Blogger im Iran finden immer wieder Wege, die Welt über das Internet über ihren Kampf zu informieren. Während ARD und ZDF in ihren Nachrichtensendungen beklagen, dass sie vor Ort nicht mehr drehen dürfen, treffen auf Youtube im Minutentakt Videoaufnahmen aus dem Iran ein, die einerseits die Ausmaße der Proteste zeigen und andererseits die Brutalität der Sicherheitskräfte dokumentieren. Über Twitter, Blogs und andere Internetkanäle werden die Urls zu den Videos weitergegeben, sodass die Welt zu einem interaktiven Zuschauer eines blutigen Dramas wird.

Sehr schnell wird jedoch auch klar, dass das Regime die sozialen Netze ebenfalls nutzt. Als bekannt wird, dass die Schergen auf Twitter nach Nutzern suchen, die in Teheran wohnen, melden sich Twitter-Nutzer aus aller Welt einfach um, um die echten Blogger zu decken. Sie geben Tehran als Wohnort und GMT +03:00 als Zeitzone ein. Natürlich ist dies ein naiver Versuch, die Blogger im Iran zu schützen, aber vielleicht erschwert es den Schergen die Arbeit ein wenig. Und hoffentlich stärkt es wenigstens die Moral der Protestierenden, wenn sie wissen, dass ab dem 16.6. noch mehr Twitterer in Teheran wohnen. Ebenfalls ein Zeichen der Solidarität: grün gefärbte Avatare auf Twitter oder die Farbe Grün im Website-Design.

Die Nachrichten aus dem Iran werden immer unübersichtlicher. Es gibt Gerüchte, dass die iranischen Machthaber Hisbollah-Milizen aus dem Libanon auf ihr Volk hetzen. Unglaubwürdig ist das nicht, da der Iran seit Jahren den islamischen Terror exportiert. Wenn die iranische Polizei und das Militär nicht auf die Demonstranten schießen wollen, dann nimmt man eben die islamischen Terroristen, die man in alle möglichen Ländern herangezüchtet hat. Dazu gehören auch die so genannten Basji, Khomeinis SA. Es handelt sich dabei um eine teilweise studentische Schlägertruppe, die den Revolutionsgarden unterstellt ist. Sie sollen zurzeit des Nachts in Studentenwohnheime eindringen und die Bewohner überfallen. Ersten Berichten zufolge überfallen diese paramilitärischen Truppen nun auch Wohngebiete. Das iranische Regime scheint sich auf den nächtlichen Terror zu verlegen, da tagsüber die Straßen dem Volk gehören. Das heißt aber nicht, dass nicht auch tagsüber geschossen wird. Immer wieder zeigen Youtube-Videos verletzte Demonstranten und dokumentieren Gewehrsalven.

Das Web versucht die grüne Revolution mit DDOS-Attacken auf iranische Regierungsseiten und iranische Fernsehsender zu unterstützen. Die Koordination dazu läuft über Twitter und andere Web-Dienste. Wie groß der Erfolg ist, lässt sich schwer abschätzen, aber einige Websites sollen schwer erreichbar sein. Jedenfalls hat man den Eindruck, etwas tun zu können, während früher bei Umstürzen und Revolutionen passiv vor dem Fernseher sitzen und zuschauen musste. Das weltumspannende technische Netz formt mittlerweile eine Art globale Verantwortung für Dinge, die in anderen Ländern passieren, die viel direkter und spürbarer ist, als die früher auch schon geübte internationale Solidarität.

Unsere Nachrichtensender haben aufgegeben, Bilder aus dem Iran zu zeigen. Sie zieren sich, die Youtube-Videos auch den Zuschauern zu zeigen, die im Internet diese Quellen nicht selbst finden. Sie holen stattdessen wie das ZDF am 16.6. lieber eine Expertin aus der Internetredaktion, die zeigt, wo die Sachen zu finden sind. Wenn es dazu führt, dass sich die Menschen aktiver im Internet informieren, so soll es mir recht sein. Vielleicht begreifen dann auch mehr Menschen, warum das Sperren von Internetseiten Zensur ist und niemals geduldet werden darf. Da aktuelle Bilder fehlen und Herr Hosny nur telefonieren darf, verlegte sich das ZDF am 16.6 auf Hintergrundberichte. Sie interviewten Banisadr, den wohl niemand kennt, der bei Khomeinis Revolution noch nicht vorm Fernseher gehockt hat. Banisadr war erster Präsident der islamischen ›Republik‹, bis er vom Ayatollah wieder aus dem Amt gejagt wurde. Welche Rolle er heute noch spielt, wer weiß das schon. Aber die Geschichte lehrt uns, dass man Leute, die in Frankreich im Exil leben, nicht unterschätzen darf. Sie tauchen plötzlich aus dem Nichts auf und reißen die Macht an sich.