Vorausschauende SPD-Politik

Es gibt langweilige Jobs und vorausschauende Politiker. Beides passt nicht zusammen. Minister für Verkehr zu sein, ist allem Anschein nach ein selten öder Job, wenn nicht gerade ein epochaler Regierungsumzug zu bewältigen oder ein Transrapid in die Landschaft zu knallen ist. Im Verkehrsministerium kann man eben nur dann vorausschauende Politik machen, wenn man Geld oder Ideen hat. Von beidem hat Franz Müntefering, seitdem Hans Eichel am Geld spart, zu wenig, weshalb sich der vorausschauende Politiker auch in seinem derzeitigen Job so fürchterlich langweilt, dass er im Winter Bundeswahlkampf-Generalsekretär der SPD werden will.

Der Grund für diesen Wechsel ist ganz offensichtlich. Dem Verkehrsminister steckt der Umzug von Bonn nach Berlin noch in den Knochen, und sowohl Müntefering als auch die übrige SPD möchten einen erneuten Regierungsumzug, diesmal vom Regierungsolymp in die karstigen Ebenen der Opposition, vermeiden. Und deshalb planen sie schon jetzt – Umfragetief hin, Richtungsstreit her – ihr großes Comeback im Jahre 2002.

Das ist vorausschauend gedacht. Denn der, der so viel Spaß am Regieren hat, sollte beizeiten vorsorgen, dass er dieser Lust nicht plötzlich verlustig geht. Natürlich könnten naive Beobachter der politischen Bühne nun einwenden, dass es doch angesichts der vielen Staus und der Verspätungen der Bahn vernünftiger wäre, eine vorausschauende Verkehrspolitik zu machen. Doch man sollte nicht vergessen, dass eine gute Verkehrspolitik zwar uns allen zugute kommen würde, eine weitere gewonnene Bundestagswahl Herrn Müntefering aber wohl unsterblich machen dürfte. Nie hätte ein Feldherr seine Soldaten aus einer tieferen Patsche herausmanövriert. Alle Welt spräche von einem Wunder an der Wümme sollte die SPD in den nächsten Jahren auch mal wieder Wahlen gewinnen.

Müntefering umgibt die Aura einer gewonnenen Bundestagswahl nach endlos langen Wahlperioden in der Opposition. Er hat Schröder und Lafontaine so verkauft, dass jedermann an Schimanski und Thanner oder Stoever und Brocki dachte, wenn er die beiden sah, obwohl es sich in Wirklichkeit doch wohl eher um Cramer und Cramer handelte.

Auf jeden Fall hat sich Müntefering bis Dezember seine Ministerpension erlangweilt und kann sich dann beruhigt den weniger lukrativen, für die SPD aber wesentlich wichtigeren Aufgaben zuwenden. Die SPD wird davon ganz sicher profitieren, kann sie ihren Mitgliedern doch wieder einmal ihre Existenzberechtigung anschaulich vor Augen führen, indem sie ein weiteres SPD-Mitglied mit einer Ministerpension versorgt.

Und diese Vorausschau ist es, die beim Regieren besonders viel Spaß macht. – Solingen 28. August 1999