Der Patriarch und seine Wasserträger

Gerhard Schröder spielt zur Zeit mit allen Katz und Maus. Lange vor seiner ersten Kanzlerschaft hat er schon einen patriarchalischen Duktus entwickelt, für den Kohl ganze zwei Amtsperioden brauchte. So lange hat es jedenfalls gedauert, bis es auch dem letzten zu langweilig wurde, ihn Birne zu nennen.

Schröder lernt seine Rolle schneller. Mal spricht er herablassend davon, dass eine rot-grüne Koalition die wahrscheinlichste Konstellation nach der Wahl sei, dann lässt er durchblicken, dass er sich auch eine große Koalition vorstellen könne. Mal stiehlt er Kanther seinen Knüppel und will die Atomkraftwerke erst abschalten, wenn sie vor Altersschwäche zusammenbrechen, dann wieder lobt er das Steuerkonzept der Grünen, das er aber ohne deren ökologische Steuerreform, die er als Benzol-Junkie nicht will, gar nicht finanzieren kann.

Die neue Steilvorlage aus der CDU, die ihm Schäuble persönlich über seine Frau lieferte, nahm er gleich auf, um zu verkünden, mit Rühe könne er sowieso besser. Es macht ihm sichtlich Spaß, alle vorzuführen, einschließlich der Genossen, die ihn so lange nicht rangelassen haben. Und man muss mittlerweile wirklich fürchten, dass er nach der Wahl so weiter macht, wenn der Wähler dem nicht einen Riegel vorschiebt.

Bleiben wir aber noch ein wenig bei der großen Koalition. Die Fronten scheinen da ein wenig in Bewegung gekommen zu sein. Not macht erfinderisch. Seit Jahren möchte die CDU ihren Über-Kohl loswerden. Doch das Problem war bisher nur: Wie soll man ohne Kohl an der Macht bleiben? Jetzt endlich haben sie einen Weg gefunden: sie biedern sich als Juniorpartner der SPD an, um dann nach zwei Jahren eine Koalition mit den Grünen zu schließen oder nach vier Jahren wieder zum Seniorpartner zu werden. Wenn dieses Kalkül aufgeht, dann gnade uns Gott! Damit wären nämlich alle Politiker glücklich und das sollte dem Souverän immer suspekt sein. Rühe darf endlich den Außenminister mimen, Schäuble bleibt der Strippenzieher im Hintergrund, und ansonsten wird sich in Deutschland nichts ändern, weil weder die CDU, noch die SPD ihrer Klientel weh tun will, um ihre Wahlchancen im Jahr 2002 nicht zu gefährden. Alles bleibt beim Alten und in den überbreiten Kanzlersessel im Kabinett passen Schröder und Rühe dicke zusammen hinein. Stagnation bis ins nächste Jahrtausend? Ein trüber Ausblick.

Die letzte Hoffnung auf den bundespräsidialen Ruck durch unser Vaterland lastet auf den schwachen Schultern der Grünen. Denn nur wenn der Wähler die Fahrsimulatoren von CDU und SPD durch viele grüne Kreuzchen kräftig ausbremst, können wir in Deutschland langsam mal lernen, wieder mit Motor und Rädern zu fahren. (Die Grünen mögen mir diesen automobilen Vergleich verzeihen.) Doch danach sieht es bisher nicht aus. Die Online-Wahl bei http://www.wahlkampf98.de kann man ja nicht ernst nehmen, denn da haben die Liberalen irgendwie den Server ausgetrickst.

Ergebnisse der Juli Umfrage:

SPD 20,0%

CDU/CSU 14,7%

B90/Die Grünen 13,5%

APPD 10,7%

FDP 9,9%

NPD 8,0%

PDS 6,7%

Naturgesetz 4,7%

Chance 2000 2,4%

ödp 2,3%

BFB 2,2%

PASS 1,2%

DVU 0,8%

Republikaner 0,4%