Kein treuer Husar

Die deutsche Regenbogenpresse hat einen neuen Antityp entdeckt und zwar nicht irgendwo in Florida oder Kalifornien, sondern mitten unter uns im nasskalten Bonn. Es ist Joschka Fischer, unser Außenminister, der auf dem letzten Presseball in Bonn mit griesgrämiger Miene an seinem Tisch saß, die Hände in die Taschen seiner Anzughose stieß, als wären es noch die alten Jeans und die internationale Presse anblaffte, die sich auf ihn und seine schöne, neue, junge Freundin stürzte, als wäre er eine wiedergeborene Diana und seine Freundin ein auferstandener Dodi.

Nun darf man die Regenbogenpresse nicht mit den Regenbogenkriegern von Greenpeace verwechseln, aber die versammelte Journaille war kurz davor, die Stirn Fischers zu erklimmen und dort ein Transparent mit der Aufschrift ›Ungezogener Bengel‹ zu entrollen. Dies ist jedenfalls das einhellige Urteil der bunten Schar der noch bunter ausstaffierten Gesellschaftsdamen, die seit Jahren versuchen, dem provinziellen Bonn ein wenig Glanz und Gloria zu verleihen und dabei doch nur selbst immer mehr Flitter auflegen müssen, um vom Scheinwerferlicht der Kameras nicht überstrahlt zu werden.

Soviel höfischer Glanz war dann doch zu viel für den Sohn eines Metzgers aus Ungarn. Er wollte nicht den schmucken, weltgewandten Husaren spielen und bemühte sich auch nicht, seinen Ekel vor dem Aufgalopp der Eitelkeiten zu verbergen. Immerhin bewies das neue Paar in der Öffentlichkeit, wie gut sie zueinander passen. Denn seine neue Freundin tat ebenso kamerascheu wie der Minister des Äußeren und blätterte die ganze Nacht, wie uns die unbestechlichen Kameras der Klatschpresse glauben machen wollen, in einer Illustrierten.

Vielleicht war Fischer aber auch schon in Gedanken auf seiner nächsten ausländischen Mission. Und diese Gedanken mögen schwer gewogen haben, ruht auf Joschka doch nicht nur die Last aller grünen Hoffnungen, sondern auch das Gewicht Deutschlands in der Welt und die gewichtigen Probleme der Weltgemeinschaft. Doch zum Schmerzensmann à la Karol Wojtyla eignet sich Fischer nun wirklich nicht. Ganz im Gegenteil! Hat er doch aller Welt gezeigt, was man durch Dauerlaufen erreichen kann: Sein Idealgewicht, seinen Traumjob und eine Frau, die auch ohne Glanz und Gloria die Aufmerksamkeit der Bonner Provinzpresse auf sich zieht. – Also mir wird Joschka Fischer immer sympathischer! – Solingen 23. November 1998