Wissenschaft & Gesellschaft

Notizen zum Einfluss der Naturwissenschaften auf unsere Gesellschaft

Die Naturwissenschaften existieren nicht in einem luftleeren Raum, sie unterliegen gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und politischen Zwängen. Dies ist ein Gemeinplatz. Andererseits prägen die Naturwissenschaften unser Leben auf lange Sicht gesehen sehr viel stärker als die gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und politischen Zwänge, unter denen sie selbst arbeiten mussten. Die 40er Jahre des letzten Jahrhunderts brachten die Atomwaffen hervor, mit deren Hilfe man jeden Gegner schlagen wollte. Ihr Existenz machte ihre Anwendung jedoch zu einem Ding der Unmöglichkeit. Kein vernünftiger Mensch würde sie jemals einsetzen, er sei denn er religiöser Fanatiker.

Die Fortschritte in den Biowissenschaften sind in den letzten Jahren nicht wenig vom Profitstreben der Kapitalmärkte angetrieben worden. Billige Malariapräparate, die Millionen helfen, aber von jenen Millionen nicht mit Milliarden bezahlt werden könnten, wurden nicht entwickelt.

Es stellt sich daher die Frage, ob kleine Veränderungen im gesellschaftlichen Umfeld, oder die Verlagerung der Forschung in einen anderen kulturellen Kontext nicht große Auswirkungen auf den Fortschritt in den Naturwissenschaften haben werden.

Welche Fortschritte wären möglich, wenn die Naturwissenschaften nicht ständig unter einem wirtschaftlichen Verwertungszwang ständen?

Und welche Folgen wird es haben, wenn Länder wie China zum Schrittmacher der Forschung werden, also Länder, in denen es keine aufklärerische Tradition gibt? Werden wir eine totalitäre Wissenschaft erleben, wie es das politische Regime Chinas, oder eine entfesselte Kommerzialisierung der Forschung ,wie es die wirtschaftliche Entwicklung des Landes befürchten lässt? Werden Naturwissenschaft und Aufklärung zukünftig getrennte Wege gehen? Oder wird die Aufklärung der Naturwissenschaft auf dem Fuße folgen?

Doch die Naturwissenschaften stellen auch unsere westliche, immer noch religiös geprägte Kultur in Frage. Immer deutlicher zeichnen sich in den Biowissenschaften Fortschritte ab, die ein neu fundiertes materialistisches Menschenbild zur Folge haben werden. Die Funktionsweisen unseres Gehirns werden entschlüsselt, was bisher noch ein Objekt der Psychologie war, Verhalten, Bewusstsein, Ethik, Moral wird zu einem Gebiet der Neurologie und Genetik, von dem wir große Fortschritte und Auswirkungen auf unsere Gesellschaft zu erwarten haben.

Viele Menschen werden die neuen Erkenntnisse kaum nachvollziehen können, so wie die meisten von uns, keinen wirklichen Begriff von der modernen Kosmologie haben. Die letzten Fragen der Kosmologie sind für unser alltägliches Leben jedoch von geringer Bedeutung. Anders ist es mit Fragen der Moral, mit Fragen des psychosozialen Befindens. Ein völlig neuer Existenzialismus zeichnet sich am Horizont der Biowissenschaften ab, der im Zentrum unserer Aufmerksamkeit, im eigenen Ich, in den Gefühlen, dem eigenen Erleben, im Wir des Zusammenlebens das Unterste zuoberst kehren wird. Die Verwerfungen, die dies mit sich bringen, aber auch die heilsamen Folgen, die ein endlich entmystifiziertes Weltbild haben wird, können wir bisher nur erahnen.