Sudelei zum Tag der deutschen Einheit
Vor vielen Jahren als die Mauer noch stand und FJS Kanzlerkandidat der CDU/CSU war, habe ich, inspiriert durch einige Gläser Bier, eine politische Vision entworfen, eine Art Antrag an das Zentralkomitee der KPdSU formuliert, den ich den beim Gelage Anwesenden in einer schwungvollen Rede kundtat. Kernpunkt meiner Forderung war ein Gebietstausch. So wollte ich dem Warschauer Pakt das Gebiet der DDR gegen Bayern zum Tausch anbieten, womit ich natürlich zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen wollte.
Wie fast alle meine Schnapsideen wurde auch diese obskure Vision von der Wirklichkeit eingeholt – und zwar heute. Während früher an den Feiern zum Tag der Deutschen Einheit am 17. Juni kein einziger DDR-Bürger teilnehmen durfte, wollten heute am Tag der Deutschen Einheit die Bergdeutschen nicht dabei sein. Bis zum 9. November 1989 hinderten Mauer, Stacheldraht und Schießbefehl die Deutschen drüben an den verklemmten Feiern hüben teilzunehmen. Heute war es ein kleines, schwungvolles Musikstück, dass die verklemmten Bergdeutschen von Hannover, dem Austragungsort der Einheitsfeierlichkeiten, fernhielt. Zwar wurde der Musik seit Jericho immer eine unterminierende Wirkung auf Mauern zugeschrieben, doch nun hat sich gezeigt, dass die Musik von Henning keinerlei Wirkung auf die Mauer in bayrischen Köpfen hat. Und das ist erstaunlich, hat Henning doch eine zünftige Blasmusik aufmarschieren lassen.
Ob es dem blonden Separatistenführer aus München gelingen wird, die beiden anderen Südländer hinter sich zu bekommen, um gegen die Preußen, Rheinländer, Hannoveraner und Mecklenburger zu Felde zu ziehen, bleibt abzuwarten. Kontakte zwischen der bayrischen Staatskanzlei und der Führung der ETA, der IRA, der PLO und der PKK werden noch heftig dementiert, aber bei der Entschlusskraft des wiedergewählten bayrischen Führers muss man das Schlimmste befürchten. Schon munkelt man, dass Karl Moik eine Hymne für den Freistaat komponiert.
Uns Deutsche sollte das, was die Bergdeutschen dort unten treiben, nicht beunruhigen, schließlich können wir immer noch versuchen, Bayern bei den Serben gegen den Kosovo einzutauschen. Das dürfte u.a. die Abschiebung von Bürgerkriegsflüchtlingen wesentlich erleichtern.
Und niemand sollte den Bergdeutschen, die sich selber Bayern nennen, grollen. Ein Volk, das seit Jahrzehnten von den Deutschen dermaßen geknechtet und ausgeplündert worden ist wie die Bayern, ein Volk, das unter dem Nationalsozialismus so leiden musste wie die Bayern, ein Volk, das seine Kulturgrößen auf Tingeltangelshows durch deutsche Fernsehsender schicken muss, um davon kärglich zu leben, ein solches Volk hat natürlich das Recht auf Widerstand und das Recht auf einen eigenen Staat.
Und so bin ich guter Hoffnung, dass wir auch weiterhin den freudigen Tag der Deutschen Einheit ohne die Bergdeutschen feiern können. – Solingen 3. Oktober 1998