Die Schröder-Dummies

Der Autokanzler hat verstanden

Dummies sind bekanntlich mit Elektronik vollgestopfte Schaufensterpuppen, die in ein Auto gesetzt und mit hoher Geschwindigkeit gegen eine Mauer gefahren werden. Der ganze bedauerliche Vorgang wird in Zeitlupe gefilmt und dient einem edlen Zweck. Die Konstrukteure der Autos wollen wissen, was bei einem Unfall so alles ins Auge gehen könnte. Crashtests gehören seit Jahrzehnten zum Repertoire der Automobilindustrie und die mutwillige Zerstörung der Dummies hat schon so manchem echten Autofahrer das Leben gerettet, weshalb er der Autoindustrie und den Schaufensterpuppen zu Dank verpflichtet ist.

Gerhard Schröder hat uns gerade wieder einmal bewiesen, dass er den Spitznamen Autokanzler nicht umsonst trägt. Seine Devise lautet: von der Automobilindustrie lernen, heißt siegen lernen. So durfte ein VW-Manager seinen Namen für eine Kommission hergeben, mit der die Sozialdemokraten die gute alte Tradition der Arbeitskreise fortführen: wenn ich nicht mehr weiter weiß, dann gründ’ ich einen Arbeitskreis. Und damit ihm, dem Schröder, die Lust am Regieren nicht vergeht, hat er jetzt den Dummy-Crash-Test zu einem festen Bestandteil seiner Politik gemacht.

Bevor sich nämlich Schröder in ein Fahrzeug unpopulärer Vorschläge setzt, steckt er lieber einen Dummy-Politiker hinein und schaut, ob das Auto und damit auch die Vorschläge gegen die Wand fahren oder nicht.

Dummies sind natürlich nicht ganz billig, weil sie mit zahllosen hoch empfindlichen Sensoren ausgestattet sind, damit man die Verletzlichkeit eines menschlichen Körpers, der bei hohen Geschwindigkeiten gegen die Inneneinrichtung seines Fahrzeugs prallt, naturgetreu simulieren kann. In der Politik ist das nicht anders. Auch Schröder musste für seine in der letzten Woche angesetzte Testreihe zur Steuererhöhung Dummies auswählen, die einen echten Politiker, also einen Gerhard Schröder, möglichst detailgenau nachbilden. Das ist gar nicht so einfach, weshalb auch gleich zwei Dummies ran mussten. Mit Sigmar Gabriel und Kurt Beck fand Schröder wohl bereits im Sommer die idealen Schaufensterpuppen, die sich weit aus dem Fenster lehnen mussten, auf die Gefahr hin, abzustürzen, was sie denn auch prompt taten.

Nachdem sich die veröffentlichte Meinung an den beiden Dummies ausgetobt hatte, beugte sich Schröder über die beiden schwergewichtigen Schaufensterpuppen und entschied angesichts der irreparablen Schäden, sich nicht in dieses Fahrzeug zu setzen und stattdessen lieber eins seiner berühmten Machtworte zu sprechen.

Unser Kanzler scheut anscheinend weder Kosten noch mühsam aufgebaute Parteifreunde, wenn es darum geht, eine sichere Kanzlerschaft zu konstruieren. Leider ist es in der Politik wie in der Autoindustrie. Die Entwicklungskosten steigen schneller als der technische Fortschritt. Mittlerweile braucht ein deutscher Kanzler schon zwei ausgewachsene Ministerpräsidenten, von denen er den einen sogar für kanzlerfähig hält, um zu testen, was alles ins Auge gehen könnte, wenn er seine Richtlinienkompetenz einmal ausüben würde. Zwei Ministerpräsidenten als Dummies, um herauszufinden, ob die Erhöhung der Erbschaftssteuer und die Wiedereinführung der Vermögenssteuer der versammelten Lobbyschaft gefällt? Da mag man sich gar nicht ausmalen, welche Entwicklungskosten auf uns zukommen, wenn Schröder die wirklich großen Probleme angeht! – Solingen den 1. Oktober 2002