…dem halte auch die linke Arschbacke hin!

Für ein wahrhaft christlich frommes Leben reichen die linke und die rechte Wange schon lang nicht mehr hin. Wer in der Nachfolge Christi leben will, der sollte lieber gleich die Hosen runterlassen und beide Arschbacken hinhalten. Gelegenheiten, einen gottesfürchtigen Lebenswandel unter Beweis zu stellen, gibt es reichlich. Wenn uns der Gebrauchtwagenhändler nicht übers Ohr haut, dann ist es der Handwerker, und wenn der es nicht ist, dann kungelt die Regierung wieder ein neues Gesetz aus, mit dem sie uns über den Tisch ziehen kann. Doch von diesen alltäglichen Möglichkeiten, seine christliche Unterwürfigkeit zu zeigen, will ich gar nicht reden. Es geht mir vielmehr um die großen, ein großes Seelenheil versprechenden Gesten, des Wangen- und Backen-Hinhaltens.

Da verhilft z. B. Lothar Bisky gerade den 16 Millionen Umschülern aus Ostdeutschland zu der einmaligen Chance, ihre Arschbacken zu einem besonders noblen Schlag hinzuhalten, doch anstatt wie eine Betriebskampfgruppe anzutreten, um die Hosen runter zu lassen und den Pflichterfüllern der DDR zu verzeihen, knöpft man den Latz verstockt wieder zu und zankt Lothar, den Anwalt der Entrechteten, auch noch lautstark aus.

Nun ist es natürlich kein Wunder, dass die 16 Millionen atheistisch erzogenen Ostdeutschen von christlicher Vergebung keine Ahnung haben, aber dass Biskys Amnestievorschlag auch im christlich-abendländischen Westen der Republik dermaßen verteufelt wird, stimmt nachdenklich. Wäre es nicht um Weihnachten eine schöne Geste christlicher Nächstenliebe gewesen, wenn wir alle in apostolisch-evangelischer Demut den SED-Bonzen die linken und rechten Wangen, Backen und Geldtüten zur Entschädigung hingehalten hätten?

Bei uns hängt das Kreuz zwar in bayrischen Klassenzimmern, aber es wird kaum noch hochgehalten. Anderswo auf der Welt ist dies jedoch anders. Und das deutsche Volk täte gut daran, sich z. B. an den Kambodschanern ein Beispiel zu nehmen. Da kriechen zwei greise Generäle der Roten Khmer aus dem Dschungel und sagen mit zerknirschter Bill-Clinton-Miene: »Sorry«. Und die ganze Nation ruft ihnen, von christlichen Idealen erfüllt, zu: »Schwamm drüber!« Natürlich war es nicht nett, während der Herrschaft Pol Pots mehr als 2 Millionen Menschen umzubringen und den Rest in die Steinzeit zurück zu versetzen, aber früher oder später müssen wir ja doch alle den Reislöffel abgeben, da wollen wir mal nicht so sein.

Dort tritt ein ganzes Volk barfuß in die Fußstapfen Christi. Bei uns dagegen: Fehlanzeige. Und dabei hat die SED die DDR noch nicht einmal in die Steinzeit, sondern bloß in den Frühkapitalismus zurückversetzt.

Also wenn der Papst zu Neujahr kein Machtwort spricht, dann müssen die treuen Diener der DDR eben ohne Verzeihung und Schenkelklopfen weiterleben, denn jetzt haben andere die Hosen an. – Solingen 30. Dezember 1998