Mailbox.org jetzt mit Browser-Verschlüsselung

Mailbox.org bietet ab sofort OpenPGP-Verschlüsselung im Web-Browser an. Da der geheime Schlüssel auf den Servern von Mailbox.org gespeichert wird, nennt es der Anbieter ›hinreichende‹ und keine absolute Sicherheit.

Als Kunde der ersten Stunde des Berliner E-Mail-Providers Mailbox.org bin ich hin- und hergerissen. Einerseits ist es eine tolle Sache, dass man verschlüsselte E-Mails nun auch im Webbrowser lesen kann und durch die bequeme Implementierung von OpenPGP mehr Menschen ihre E-Mails verschlüsseln. Andererseits habe ich die Befürchtung, dass webbasierte E-Mail-Verschlüsselung wichtige Prinzipen von OpenPGP verschleiert, sodass viele neue Nutzer Verschlüsselung benutzen werden, ohne das Prinzip dahinter zu verstehen.

OpenPGP basiert auf asymmetrischer Verschlüsselung. Ich erkläre dieses Prinzip in meinen Schulungen gerne mit Vorhängeschlössern. Ich verteile Vorhängeschlösser an die Teilnehmer und sage ihnen, dass sie den Schlüssel sicher in ihrer Hosentasche verwahren sollen. Das Schloss aber sollen sie offen auf einen Tisch legen, sodass alle anderen Teilnehmer Zugriff darauf haben. Dann sollen die Teilnehmer sich gegenseitig verschlossene Nachrichten senden. Dafür nehme ich Klappkarten, die mit dem Vorhängeschloss verschlossen werden. Eine so verschlossene Nachricht wird dann von einem Teilnehmer zum nächsten weitergereicht, bis sie den Empfänger erreicht, der das Vorhängeschloss mit seinem Schlüssel aufschließt. Der Schlüssel steht für den geheimen OpenPGP-Key, das Vorhängeschloss ist der öffentliche Schlüssel, der auf Keyservern (dem Tisch) zum Download angeboten wird. Mit dem Vorhängeschloss kann man nur verschließen. Zum Aufschließen (Entschlüsseln) benötigt man den (geheimen) Schlüssel. So mache ich die Teilnehmer mit der Handhabung geheimer und öffentlicher Schlüssel vertraut. An den Vorhängeschlössern lassen sich auch andere Prinzipien von OpenPGP veranschaulichen, zum Beispiel das Unterschreiben fremder öffentlicher Schlüssel und damit das Prinzip des Web of Trust. Nach dieser Einführung haben die meisten Teilnehmer das Prinzip verstanden und es reicht, wenn ich später bei der Handhabung von GnuPG und Enigmail ab und zu auf die Vorhängeschlösser zurückkomme. Eins haben die Teilnehmer dann auf jeden Fall begriffen: den geheimen Schlüssel gibt man niemals aus der Hand!

Doch genau das passiert bei Mailbox.org. Der geheime Schlüssel wird auf einem fremden Server gespeichert. Man muss ihn aus der Hand geben – ja schlimmer noch – man erzeugt ihn auf dem fremden Rechner. Anfänger, die sich mit OpenPGP nicht auskennen, werden bei der ersten Nutzung aufgefordert einen Schlüssel zu erzeugen, mit dem sie ihre E-Mails künftig verschlüsseln wollen. So entwickelt man vielleicht niemals ein Verständnis dafür, dass man den geheimen Schlüssel absolut geheim halten soll. Vielleicht versteht man auch nicht, dass es sich um ein Schlüsselpaar handelt und welche Funktion welcher Schlüssel hat. Der naive Nutzer könnte glauben, dass er einen Schlüssel gemacht hat und seine Mails mit der Passphrase entschlüsselt. Vielleicht wird er sogar das Guard-Passwort, das man für Verwaltungszwecke auf der Plattform benötigt, mit Passphrase des Schlüssels verwechseln.

Um es dem Nutzer so bequem wie möglich zu machen, verschleiert Mailbox.org einige zentrale Prinzipien und erhöht die Komplexität durch das Guard-Passwort. Jeder Nutzer muss sich drei Passworte merken: sein Login-Passwort, sein Guard-Passwort und die Passphrase zum Entsperren des Schlüssels. Ich weiß nicht, ob das gut ist.

UPDATE:

Wie aus den Kommentaren hervorgeht, benötigt der Benutzer auf der Webplattform selbst nur zwei Passworte: sein Login-Passwort und das Guard-Passwort. Allerdings benötigt er noch seine normale PGP-Passphrase für den PGP-Schlüssel selbst, wenn er Mails auch in einem Mailprogramm liest.

Es mag sein, dass durch diesen Dienst mehr Menschen zukünftig ihre E-Mails verschlüsseln. Das ist sicher zu begrüßen. Aber werden sie auch begreifen, was sie tun? Ich habe da Zweifel. Und generell bin ich der Meinung, dass Verschlüsselung keine Frage der Technik ist, sondern der persönlichen und kollektiven Einstellung. Der Web-of-Trust ist für mich eins der wesentlichen Prinzipien von OpenPGP, und das Signieren fremder Schlüssel ist überhaupt noch nicht implementiert.

Fazit

Die Implementierung von OpenPGP in Mailbox.org ist keine Ende-zu-Ende-Verschlüsselung, da die Verschlüsselung auf Servern von Mailbox.org erfolgt und dort auch die geheimen Schlüssel gespeichert sind. Die Anbieter sind in ihrer gewohnten Transparenz ausführlich auf diese Problematik in einem Blogpost eingegangen. Man braucht Vertrauen zum Anbieter. Wer aber bereit ist, seine geheimen Schlüssel auf einem unsicheren Smartphone zu speichern, der braucht eigentlich keine Angst vor einem fremden Server haben, der professionell und sicher verwaltet wird.

Die Implementierung von OpenPGP ist nicht vollständig. Das heißt, ich kann nicht alle Funktionen von OpenPGP nutzen. An ein paar Ecken hakt es noch. So wird ein Schlüssel beispielsweise als abgelaufen angezeigt, wenn lediglich einer der Unterschlüssel abgelaufen ist. Dateien in Drive lassen sich offenbar nur mit dem eigenen Schlüssel verschlüsseln, sodass ich keine verschlüsselten Daten für andere Personen via Web-Frontend hinterlegen kann. Eine Anbindung an die Keyserver-Infrastruktur gibt es noch nicht. Öffentliche Schlüssel müssen mühsam mit der Hand hochgeladen werden.

Trotz dieser Einschränkungen ist das Engagement von Mailbox.org zu begrüßen. Es ist in jedem Fall wichtig, mehr Menschen an die Verschlüsselung heranzuführen. Und ich bin sicher, dass die Implementierung in Zukunft weiter verbessert wird.