Banker überflügeln das Politbüro der SED

Wozu die Kommunisten in der DDR 40 Jahre brauchten, haben westdeutsche Banker in knapp zehn Jahren geschafft: Mit bonusverdächtigem Einsatz haben sie, wie weiland das Politbüro der SED einen volkswirtschaftlichen Schaden angerichtet, der nur mit einem neuen historischen Schuldenrekord in den Griff zu bekommen war. Der Glückwunsch geht an die Herren Steinbrück und Schäuble. Sie haben Theo Waigels Schuldenrekord gebrochen!

Wer Anfang der neunziger Jahre durch die ehemalige DDR fuhr, wusste sofort Bescheid: aus der Nummer würden wir nicht mehr heil herauskommen. Und es kam, wie es kommen musste: Kohls blühende Landschaften wurden mit einer Rekordverschuldung erkauft. Allein 1996 musste Theo Waigel 40 Milliarden Euro neue Schulden aufnehmen und krönte sich damit für mehr als ein Jahrzehnt zum GröSchaz (Größten Schuldenmacher aller Zeiten). Aber die Zeiten waren auch hart. 40 Jahre hatten hinter dem Eisernen Vorhang die Kommunisten gewirtschaftet, oder vielmehr nicht gewirtschaftet. Die Wirtschaft der DDR hatte Ende der 80er Jahre größtenteils bloß noch Schrottwert – und der brachte damals noch nicht viel ein. Eine kaputte Wirtschaft, eine marode Infrastruktur und eine teilweise hochgradig verseuchte Landschaft – das haben die Kommunisten übrig gelassen, als sie endlich von der Kleinkunstbühne der Geschichte abtraten. Jahrelang hat Waigel versucht, die Schulden als Vermögen zu tarnen, als Sondervermögen im Fonds Deutsche Einheit. Waigel war einer der kühnsten Neusprecher in den 90er Jahren. Schulden als Vermögen zu bezeichnen, ist ja nicht falsch – es ist halt bloß das Vermögen eines anderen. Leider wird der Neusprecher Waigel heutzutage viel zu selten gewürdigt. Jeder erinnert sich an Kohls plattes Versprechen mit den blühenden Landschaften, das aber teilweise sogar in Erfüllung gegangen ist. Teilweise blühen zwar nur die Landschaften, teilweise aber auch die Wirtschaft. Waigels Sondervermögen aus dem Fonds Deutsche Einheit ist mittlerweile ein Posten unter vielen in der Schuldenbilanz des Bundeshaushaltes geworden – von Vermögen kann immer noch keine Rede sein. Nein, das macht dem Waigel so schnell keiner nach: Wachstumsbeschleunigungsgesetz hin oder her. Dabei ist auch Schäuble, unser neuer Schuldenminister, ein begnadeter Neusprecher, wie Martin Haase, in einem Vortrag auf dem 25. Chaos Communication Congress in Berlin so überzeugend darlegte. Wir können also von ihm noch einiges in dieser Richtung erhoffen. Ich bin jedenfalls sehr gespannt, mit welch kreativen Worten er uns den Staatsbankrott als nachhaltige Daseinsfürsorge im Interesse künftiger Generationen verkaufen wird.

Doch wir wollen Schäuble nicht verurteilen – die Zeiten sind sehr viel härter als damals, als bloß eine Horde Kommunisten vor sich hin gewirtschaftet hat – jetzt sind die Banker am Zug und die verstehen was vom Wirtschaften!

Die britische Think-Tank new economics foundation hat in seiner Studie »A Bit Rich. Calculating the real value to society of different professions«1 errechnet, wie groß der volkswirtschaftliche Schaden ist, den ein Banker in guten Zeiten anrichtet. Für jedes Pfund, das ein Banker in der Londoner City verdient, richtet er einen volkswirtschaftlichen oder sozialen Schaden von sieben Pfund an. Das sind jedoch buchstäblich Peanuts im Vergleich zu dem Schaden, den Steuerberater anrichten. Sie erzeugen für jedes Pfund, das sie verdienen, einen Schaden von 47 britischen Pfund! Und das sind wohlgemerkt britische Steuerberater, die man mit deutschen Steuerberater kaum vergleichen kann, da diese dank des kompliziertesten Steuersystems weltweit, in einer ganz anderen Liga spielen!

Leider weiß ich nicht, was alle deutschen Steuerberater zusammen im Jahr verdienen, sonst wüsste ich ob man unter Anrechnung der geringen britischen Schadensrate von 1:47 auf einen volkswirtschaftlichen Gesamtschaden kommt, der in etwa der Höhe der öffentlichen Verschuldung entspricht.

Reinigungskräfte im Krankenhaus richten mit ihrem geringen Gehalt natürlich keinen Schaden an. Im Gegenteil! Für jedes Pfund, das sie in Großbritannien verdienen, erarbeiten sie einen zehnmal so großen volkswirtschaftlichen Nutzen. Und Müllmänner, neudeutsch Recyclingfachkräfte, erwirtschaften mit jedem Pfund, das sie verdienen, einen sozialen Wert von 12 Pfund.

Warum wir Menschen, die uns so immens schaden, dafür auch noch erstklassig bezahlen, anstatt sie in Gemeinschaftszellen unterzubringen, bis sie einen nützlichen Beruf erlernt haben, weiß ich nicht. Vielleicht ändert sich das ja, wenn auch Deutschland endlich zahlungsunfähig ist.

Literatur

Steed, Susan/Kersley, Helen: A Bit Rich. 2009. Internet: http://www.neweconomics.org/publications/entry/a-bit-rich. Zuletzt geprüft am: 13.9.2014.

Fußnoten


  1. Steed, Susan/Kersley, Helen: A Bit Rich. 2009. Internet: http://www.neweconomics.org/publications/entry/a-bit-rich. Zuletzt geprüft am: 13.9.2014. ↩︎