Bessere Bildung? Lieber nicht!

Am 18.11.2009 endet die Mitzeichnungsfrist für die Bildungspetition, in der ich den Bundestag gebeten habe, gemeinsam mit den Bundesländern eine Verdreifachung der Bildungsausgaben bis zum Ende der aktuellen Legislatur zu beschließen. Hier ziehe ich eine deprimierende Zwischenbilanz.

In Blogs, Twitter, Identica, Facebook und in anderen sozialen Netzen, ja sogar in Spiegel Online, wurde auf die Petition hingewiesen. Für diese Unterstützung in der Öffentlichkeit und natürlich fürs Mitzeichnen möchte ich allen ganz herzlich danken.

Leider sind jedoch diejenigen, die mehr Geld für mehr und besser ausgebildete Lehrer, für die Renovierung von Schulgebäuden und die Modernisierung der Ausstattung ausgeben wollen, offensichtlich eine verschwindend kleine Minderheit in diesem Land. Denn bis heute (5.11.2009) haben gerade erst einmal 800 Personen die Petition mitgezeichnet.

Zufrieden mit der Misere?

Ist die überwältigende Mehrheit der Bevölkerung zufrieden mit unserem Bildungssystem? Wohl kaum, über nichts wird so intensiv geklagt und diskutiert wie über die Bildungsmisere in Deutschland, nichts regt Eltern mehr auf als der Lehrermangel, der Unterrichtsausfall und der teilweise erschreckende bauliche Zustand mancher Schulen. Überall in Deutschland demonstrieren die Studenten gegen Studiengebühren, die sinnfreien Regelungen der neuen Bachelor-Studiengänge und über mangelnde Master-Plätze. All diese Mängel haben eine gemeinsame Ursache: es gibt kein Geld für mehr Lehrer, um kleinere Klassen zu gewährleisten und den Unterrichtsausfall zu reduzieren; es gibt kein Geld, um Schulgebäude zu sanieren und Mensen für die Ganztagsbetreuung zu bauen; es gibt kein Geld, um Studenten die Studiengebühren zu erlassen, denn sie werden dringend gebraucht, um die Löcher zu stopfen, die durch die Sparwut der Politik aufgerissen wurden; es gibt kein Geld, um mehr Master-Studienplätze einzurichten; es gibt kein Geld um mehr und bessere Lehrer auszubilden.

Für all das ist kein Geld da. Und da uns tagtäglich in den Medien die erdrückende Schuldenlast von Bund und Ländern vor Augen geführt wird, haben wir es wohl vollkommen verinnerlicht, dass wir mit dieser Misere leben müssen, dass wir Gott auf den Knie danken dürfen, wenn der Finanzminister nicht auch noch auf die Idee kommt, die ohnehin knappen Mittel in der Bildung noch weiter zu reduzieren.

Gleichzeitig werden Milliarden verpulvert, um bankrotte Unternehmen zu retten. Machen wir uns nichts vor. Schüler und Studenten haben nicht das Erpressungspotenzial wie Banken und die Automobilindustrie, um Milliardensubventionen in ihre Tasche zu lenken. Und alle Beteiligten haben sich offensichtlich mit ihrer Ohnmacht abgefunden und versuchen, sich irgendwie durchzubeißen.

Milliardenschaden durch mangelnde Bildung

Man mag diesen Allgemeinplatz kaum noch benutzen, aber Bildung ist der Schlüssel zum Erfolg. Und fehlende Bildung, die Ursache für viele sehr teure Missstände. Jedes Jahr entstehen uns Milliardenkosten durch Arbeitslosigkeit, die durch mangelnde Bildung verursacht wurde. Besser qualifizierte Arbeitnehmer finden schneller einen neuen Job als weniger gut qualifizierte. Die Perspektivlosigkeit von Jugendlichen, die in unserem Bildungssystem durch das Raster gefallen sind, führt zu sozialen Problemen, die Milliarden kosten.

Und Bildungsferne vererbt sich! Kinder aus so genannten bildungsfernen Elternhäusern oder mit Migrationshintergrund haben weniger Chancen in dieser Gesellschaft. Sie bekommen eine schlechtere Ausbildung und werden daher in Zukunft schlechter bezahlte Jobs kommen und so weniger zum Bruttosozialprodukt beitragen können. Dadurch wird noch weniger Geld für Bildung bereitstehen. Ein Teufelskreis! Schlechte Bildung kostet uns mehr Geld, als uns bessere Bildung kosten würde. Weniger Bildung senkt das Bruttosozialprodukt. Weniger Bildung lässt die Wirtschaft schrumpfen.

Selbst mitten in der Krise suchen deutsche Betriebe händeringend nach qualifiziertem Personal, ohne es zu finden. Es gibt Studien, die besagen, dass durch einen Ingenieursarbeitsplatz mehrere davon abhängige Arbeitsplätze für weniger oder anders qualifiziertes Personal entstehen. Wenn also dieser Ingenieur nicht gefunden wird, können mehrere Arbeitsplätze nicht geschaffen werden. Wir produzieren also ganz direkt mehr Arbeitslosigkeit durch mangelnde Ausbildung. Langfristig rollt eine Lawine auf uns zu, die gigantische Kosten verursachen wird. Deutschland wird ein Land werden, in dem immer mehr Menschen, aufgrund ihrer fehlenden Qualifikation immer weniger verdienen werden. Wer soll dann die Schulden, die Generationen vorher aufgehäuft haben, zurückzahlen? Aufgrund der demografischen Entwicklung müssen wir mit immer weniger Menschen ein steigendes Bruttosozialprodukt erwirtschaften, um langfristig unseren Wohlstand halten zu können. Wie soll das gehen, wenn wir nicht sofort für eine bessere Ausbildung sorgen?

Verängstigte Bevölkerung als Spielball der Lobbyisten

Man kann über Politiker klagen, die Schuldenberge aufhäufen, um ein korruptes Finanzsystem zu stützen oder Technologien von gestern und vorgestern zu subventionieren, damit sie in der bevorstehenden Wahl ein paar Stimmen mehr einheimsen. Letztendlich sind diese Politiker vom Votum des Wählers abhängig. Wir leben in einer Demokratie. Wir hatten gerade eben noch die Chance, Politiker abzuwählen, die unser Geld zum Fenster rauswerfen. Kaum jemand hat diese Chance bekanntlich genutzt. Und wir leben in einer Zeit, in der man seinen politischen Willen durch einen einfachen Mausklick zum Ausdruck bringen kann. Einfacher geht es doch nun wirklich nicht. Das soll keine Entschuldigung für Politiker sein, die bewusst oder unbewusst dem Wohl des Volkes schaden. Aber eine 80-Millionen-Bevölkerung, in der lediglich 800 Personen ihr Parlament bitten, zukünftig andere Prioritäten zu setzen, hat ganz offensichtlich wichtige Eigenschaften verloren: die Fähigkeit, die eigenen Interessen zu erkennen und zu verteidigen.

Die Menschen sind eingeschüchtert und verängstigt. Das ist nicht nur beim Thema Bildung so. Kaum legt der Vorstand die Stirn in Falten, bietet die Belegschaft Lohnverzicht an. Die Angst vor dem wirtschaftlichen Abstieg ist allgegenwärtig und lässt alle in einer Art Schockstarre verharren, in der man auf Forderungen von vorne herein verzichtet. Die Schere im Kopf schneidet unablässig. Dies ist für Lobbyisten eine traumhafte Zeit. Sie haben auf der politischen Landschaft keine Futterkonkurrenten. Das Ritual mit Arbeitsplatzverlust zu drohen, ist mittlerweile so eingespielt, dass sie ihre Drohungen in besorgte Mahnungen verpacken können, ohne dass sie ihre Wirkung verlieren. Ein Volk, das sich aus Angst vor dem wirtschaftlichen Totschlag ausplündern lässt, hat sicher keine große Zukunft vor sich. Was wir dringend bräuchten, wäre mehr Zivilcourage im Kampf gegen die wirtschaftlichen Schlägertrupps. Mehr Selbstbewusstsein im Verteilungskampf.

Bildung macht selbstbewusst. Das ist viel zu gefährlich!

Doch woher soll dieses Selbstbewusstsein kommen? Selbstbewusstsein beruht auf innerer Stärke, auf der Gewissheit, etwas leisten zu können, leistungsfähig zu sein, eine Ausbildung zu besitzen, die wirtschaftlichen Wohlstand und soziale Integration gewährleistet. Bildung macht selbstbewusst. Vielleicht ist das der wahre Grund, warum man nicht zu viel Geld für Bildung ausgeben möchte und mit der sozialen Ausgrenzung sehr gut leben kann.

Selbstbewusstsein und Geschick in der Durchsetzung der eigenen Interessen lernt man nicht von heute auf morgen. Man muss es in kleinen Schritten einüben. Die Bildungspetition ist so ein kleiner Schritt, mit dem wir alle gemeinsam lernen können, unseren Forderungen im Verteilungskrieg mit den Lobbyisten mehr Gehör zu verschaffen. Wir sollten sie nutzen.