Fürs Vaterland gefallen?

Der Irak ist wie vor einigen Jahrzehnten Vietnam ganz offensichtlich eine Nummer zu groß für die USA. Denn im Land der furchtlosen Joy-Stick-Krieger schreit man, seitdem der Krieg der ferngelenkten Massenvernichtungswaffen zu Ende ist und der Kampf Mann gegen Mann begonnen hat, immer lauter um Hilfe. Die UN, ja sogar das alte Europa, sollen nun verhindern, dass fast jeden Tag US-Soldaten bei irakischen Angriffen getötet werden. Und wie schon damals in Vietnam, so fragt man sich auch heute: Für wen sind diese Soldaten eigentlich gefallen?

Wenn der Präsident, der sie zum Töten und in den Tod geschickt hat, rechtmäßig von der Mehrheit der Amerikaner gewählt worden wäre, so würde sich diese Frage sicherlich erübrigen. Doch gerade in dieser Hinsicht bestehen kaum noch Zweifel. Bush ist nicht von der Mehrheit der Amerikaner gewählt worden. Sind also die US-Soldaten im Irak nicht fürs Vaterland sondern für Microsoft und die anderen Firmen gestorben, die Bushs Kandidatur finanziell unterstützt haben? Oder ist diese Unterscheidung naiv? Kann der durchschnittliche Amerikaner überhaupt noch trennen zwischen Corporate und America?

Denn wir wollen nie vergessen, dass die Mehrheit der Amerikaner schließlich dafür war, den Irak zu überfallen, der zu seiner Verteidigung lediglich die virtuellen Massenvernichtungswaffen einsetzen konnte, die die Amerikaner längst nicht mehr suchen. Insofern hat also die Mehrheit der Amerikaner und damit summa summarum das Vaterland höchstpersönlich die Soldaten zum Töten und in den Tod geschickt.

Als Freund Amerikas muss ich nun einwenden, dass die Mehrheit der Amerikaner ja nur deshalb für den Krieg war, weil eine unrechtmäßig an die Macht gekommene Administration sie nach Strich und Faden belogen hat. Insofern wären die Amerikaner Opfer ihrer eigenen Massenvernichtungsmedien, die die bombigen Lügen Bushs in jeden Winkel getragen haben. Die toten US-Soldaten im Irak wären demnach ebenfalls Opfer Bushs und deshalb nicht fürs Vaterland gefallen, das, hätte es die Wahrheit gewusst, Bush statt die Soldaten in die Wüste geschickt hätte. Dies ist natürlich unbefriedigend.

Zyniker würden die Frage, für wen Soldaten fallen, wahrscheinlich volkswirtschaftlich nüchtern beantworten: für ihren Sold. Schließlich handelt es sich bei den GIs um Berufssoldaten, die einem Beruf nachgehen, der Berufsrisiken mit sich bringt, die seit Menschengedenken bekannt sind. Und wenn einige Rekruten lieber den Werbevideos der US-Armee statt den Geschichtsbüchern glauben, so sind sie halt selber Schuld, wenn sie eines schönen Tages auf einer Kreuzung in Bagdad feststellen, den falschen Job gewählt zu haben.

Doch ich muss für die US-Soldaten, insofern sie gefallen sind, eine Lanze brechen. Man fällt nicht nur dann fürs Vaterland, wenn man in beglaubigtem Auftrag seines von Gott auserwählten Volkes fremde Völker bombardiert, man ist auch dann ein Held, wenn man durch sein Opfer, die Geschicke seines Volkes zum Guten wendet. Und das tun die toten GIs im Irak ohne jeden Zweifel, denn jeder tote Soldat senkt die Zustimmung für Bush in der Heimat um 0,34 Prozentpunkte. Bisher sind mindestens 38 US-Soldaten nach dem von Bush ausgerufenen Sieg über Saddam gefallen und die Zustimmung zu Bush seither um 13 Prozentpunkte auf 57 %. Noch 167 Tote mehr und die Zustimmung zu Bush sänke auf Null, sodass das Vaterland erst einmal gerettet wäre, bis sich dann mit den wilden Bush-Töchtern die nächste Generation an die Macht putscht.

Doch nicht nur im Irak wird gestorben, auch an der britischen Heimatfront ist ein erstes Todesopfer zu beklagen. Der Biowaffenexperte David Kelly konnte ganz offensichtlich den Gestank, den seine Landsleute im Rektrum des amerikanischen Präsidenten verursachen, nicht mehr aushalten und schied freiwillig aus dem Leben.

Die Bushkrieger wären deshalb auch heilfroh, wenn die UN die illegale Besetzung des Iraks mitmachen und internationale Truppen schicken würden. Geht die UN doch noch als Sieger aus dem Konflikt hervor? Sind die US-Soldaten etwa in Wirklichkeit für die UN gefallen? Muss man ihnen vor dem UN-Hauptquartier ein Denkmal errichten? Wenn es jemals so weit kommt, dass man den Besatzern des Iraks vor der UN ein Denkmal setzt, sollte man es der Fairness halber zu gleichen Teilen auch den getöteten Irakern widmen. Immerhin sind sie massenweise und zuerst gestorben. Ob so ein Denkmal aber künftige US-Präsidenten davon abschrecken würde, andere Länder zu überfallen? Immerhin hat es Hollywood trotz einiger Ausrutscher verstanden, aus dem Vietnam-Verbrechen eine Rambo-Heldentat zu machen.

Noch abschreckender für die Nachfolger Bushs wäre es natürlich, die gesamte US-Regierung vor ein internationales Gericht zu stellen oder sie ins saudische Exil zu schicken, wo schon der afrikanische Massenmörder Idi Amin (ca. 300.000 Morde) einen luxuriösen Altersruhesitz gefunden hat. Nach einer Schamfrist von zwei, drei Jahren könnte George W. Bush dann in die USA zurückkehren, um gemeinsam mit dem Ex-Diktator von Sambia, Kenneth Kaunda, Vorlesungen in Boston abzuhalten. Kaunda liest zurzeit über internationale Beziehungen. Bushs Antrittsvorlesung als Gastdozent könnte dann lauten: »Saddam, Or: How I Learned To Stop Searching And Threw The WOMs«– Solingen den 22. Juli 2003