Kollateralschäden oder Wie man Vorstandsvorsitzender wird

Während alle Welt auf die Verbrechen der Amerikaner und Briten im Irak starrt, gehen in Deutschland die Schweinereien fast unbemerkt von den Medien über die Bühne. Werner Müller wird Vorstandsvorsitzender der RAG. Ja, verehrter Leser, eben der Werner Müller, der als Wirtschaftsminister die Fusion der RAG Tochter Ruhrgas mit dem Energiekonzern Eon mit einer Ministererlaubnis gegen alle Widerstände durchdrückte.

Erinnern Sie sich noch an Martin Bangemann, einer der vielen überflüssigen Wirtschaftsminister aus der langen Reihe überflüssiger Minister des Parteiensurrogats, das damals noch drei Pünktchen in seinem Namen trug? Nachdem die FDP ihr verdientes Parteimitglied in einem europäischen Kommissionssessel ablegen konnte, hörte und sah man jahrelang nichts mehr von Bangemann, der in der EU für die Regulierung des Telekommunikationsmarkts zuständig war. Erst als herauskam, dass Bangemann nach seiner Amtszeit einen gut dotierten Posten bei der spanischen Telefonica bekommen sollte, regte sich leise Empörung. Hat sich Bangemann etwa während seiner Zeit als EU-Kommissar um die Firma verdient gemacht? Zu Lasten der europäischen Verbraucher? Eine endgültige Antwort auf diese Frage hat meines Wissens nie jemand formuliert. Vielleicht weil sie sich letztendlich von selbst versteht.

Was immer man aber über Bangemann denken mag, ein gewisses Maß an Diskretion muss man ihm zu Gute halten. Diese vornehme Zurückhaltung besaß Werner Müller nicht, als er sich ohne jede Scham über das Bundeskartellamt hinwegsetzte und die Fusion der Giganten mit einer Ministererlaubnis absegnete. Und nun ist es offiziell. Werner Müller wird Vorstandsvorsitzender der RAG, die damals die Ruhrgas unbedingt loswerden wollte. So wird man zu einer Führungskraft: erst torpediert man als Wirtschaftsminister im Interesse der Energieriesen den Atomausstieg, dann unterläuft man mit einer Ministererlaubnis das deutsche Kartellrecht. Und nachdem man als Minister seine Pflicht getan hat, stehen einem später alle Türen offen.

Die Bimbesmentalität ist offensichtlich nicht an eine Partei wie die CDU oder die FDP gebunden. Auch parteilose Minister schwören mit gekreuzten Fingern. Wobei solche Minister, wenn man es einmal genau betrachtet, ihren Schwur gar nicht brechen. Immerhin dienen sie, indem sie der eigenen Person dienen, auch dem deutschen Volk, denn schließlich sind sie der edelste Teil desselben. Und sie wenden nicht von irgendwelchen Unternehmen Schaden ab, sondern von der deutschen Atomindustrie.

Parteilose Minister gibt es aus Sicht der Wirtschaft noch viel zu selten. Sie haben gegenüber parteigebundenen Ministern den großen Vorteil, dass sie keiner Partei verpflichtet sind, weshalb sie auch nicht als Dankeschön für ihre kleinen Gefälligkeiten eine dieser überaus heiklen Parteispenden erwarten, durch die immer wieder die public-private partnership in Verruf gerät. Sie sind vollauf zufrieden, wenn sie später nach ihrer aktiven Zeit, die Gelegenheit haben, sich zu ihrer spärlichen Ministerpension noch etwas hinzu zu verdienen.

Die Verbraucher, unter denen sich zahlreiche Ausländer befinden, denen Müller nichts geschworen hat, werden die gestiegenen Gasrechnungen mit Sicherheit auf die Ökosteuer zurückführen und nicht auf das von Müller ermöglichte Monopolunternehmen. So gesehen halten sich die Kollateralschäden, die man eben in Kauf nehmen muss, wenn man sich einen Wirtschaftsminister hält, in Grenzen. Müller dagegen hat noch eine große Zukunft vor sich. Und wer weiß, vielleicht wird er ja sogar irgendwann wie Esser mit einem goldenen Handschlag aus dem goldenen Sessel in den goldenen Ruhestand geschickt. Dann kann er nicht nur über die dummen Wähler und ausgetricksten Verbraucher lachen, sondern auch über die betrogenen Aktionäre. – Solingen den 8. April 2003