Schmerzfrei mit Schador: der Dialog mit dem Islam

Wie viele Islamisten haben Sie, lieber Leser, heute schon getötet? Im Geiste natürlich, denn ich hoffe doch, dass Sie nicht mit entsicherter Waffe durch die Stadt ziehen, um die moslemischen Schläfer um ihren wohlverdienten Märtyrertod zu bringen.

Oder gehören Sie zu den friedensbewegten Menschen, die sich mit deutscher Gründlichkeit auf Bücher über den Islam stürzen, um sich entweder diskret vor dem apokalyptischen Fundamentalismus zu gruseln oder um sich die nagende Hoffnung bestätigen zu lassen, dass der Islam im Grunde doch eine kreuztolerante Religion ist.

Dialog mit dem Islam statt Krieg der Kulturen: das ist in diesen Tagen erste Bürgerpflicht! Auch wenn’s schwer fällt. Vor allem die Christen sind aufgerufen, mit ihrer Schwesterreligion zu dialogisieren. Die Bischöfe haben es ihren Schäfchen quasi befohlen: angetreten zum Dialog!

Nun ist das mit dem Dialog so eine Sache. Zunächst einmal gehören immer zwei dazu und vielleicht ist der Zweite, in diesem Fall der Islam ja dialogunfähig. Oder aber unsere Bischöfe sind nur deshalb so scharf auf einen Dialog mit dem Islam, weil die tiefsinnigen Gespräche in einer reinen Männerrunde stattfinden würden, was unseren Bischöfen sicher angenehmer ist, als sich mit den Beraterinnen von Donum vitae herumzuplagen. Leute wie Peter Scholl-Latour behaupten ja sogar, dass überhaupt nur ein Gespräch zwischen Gläubigen Sinn macht, weil man dann auf gleicher Augenhöhe reden würde: ein Gespräch zwischen Tauben und Blinden sozusagen. Einen Dialog zwischen der atheistischen Vernunft und dem Islam kann er sich schlichtweg nicht vorstellen.

Auch Jürgen Habermas, der oberste bundesdeutsche Dialoglehrer der Vernunft und des Buchhandels diesjähriger Friedenspreisträger, kann sich einen Dialog mit dem Islam nur schwer vorstellen und — da läuft es jedem Denkenden kalt den Rücken herunter — er spricht mit apokalyptischem Unterton schon von einem postsäkularen Zeitalter, was die konservative Presse in Deutschland zu religiösen Lustschreien provozierte. Was aber der Postsäkularismus nun mit dem Islam zu tun hat, weiß ich nicht. Immerhin müsste der Islam, wenn er denn jetzt postsäkular ist, früher schon einmal säkular gewesen sein.

Doch vielleicht war dieser Gedanke ja auch auf uns, die religiös Vertriebenen im so genannten Westen, gemünzt. Wobei ich auch das nicht recht verstehe. Natürlich sind Astrologie, keltische Druidenkulte und Star-Wars-Sammelbildchen der beste Beweis dafür, dass auch Vernunft simulierende Wesen an alles Mögliche zu glauben bereit sind, wenn sie ihren Glauben an Gott verloren haben. Aber ich glaube kaum, dass der Geschäftsführer eines New-Age-Ladens seinen gesammelten Ramsch zu einer Staatsideologie aufblasen möchte. Denn dann würde er auf seinen tibetischen Tempelglocken ebenso sitzen bleiben, wie der Devotionalienhandel zu Füßen des Nevigeser Domes auf seinen sprechenden Marienbildchen.

Doch nicht nur Habermas ist im Augenblick verwirrt. Auch die Frauenbewegung benimmt sich zurzeit wie eine Frau, die vor dem Spiegel steht und nicht weiß, welches Kleid sie anziehen soll. Was steht mir besser, fragt sie sich verzweifelt? Der tarnfarbene Kampfdress, um das frauenfeindliche Talibanregime davonzujagen oder um des lieben Friedens willen doch der hellblaue Ganzkörper-Schador? Immerhin war es die Frauenbewegung, die schon zum Sturz der Taliban aufgerufen hat, als George W. Bush Afghanistan noch für ein Abenteuerareal in Disneyland gehalten hat. Nun aber, wo eben dieser George W. Bush, ganz Gentleman, der Frauenbewegung die geheimsten Wünsche von den Lippen abliest, ist es ihnen auch wieder nicht recht. Typisch Frau!

Aber vielleicht holen ja die kleinen Schwestern der Frauenbewegung, die minoritischen Redakteurinnen der Frauenzeitschriften demnächst zu einem dialogischen Vernichtungsschlag gegen den Islam aus. Wo sonst als auf den Frontseiten der Life-Style-Magazine wird der wirkliche Kampf der Kulturen ausgetragen? Ich sehe schon die multikulturellen Überschriften, mit denen ›Max‹ und ›Brigitte‹ die Festung des Islams sturmreif schießen werden!

In der Gesundheitsrubrik liest man dann: ›NEU: Die afghanische Scharia-Diät: 20 Kilo leichter in 14 Tagen.‹ oder ›Schmerzfrei ohne Nebenwirkung mit selbstgedrehten Schador-Wickeln.‹ oder ›Gesund und fit mit Onkel Bin Ladens rechtsdrehenden, bioaktiven Jogurtkulturen‹. Auf den Psycho-Seiten finden wir dann Überschriften wie: ›Selbstfindung durch Steinigung: was uns die Kieselsteine zu sagen haben‹. Natürlich darf auch die praktische Lebenshilfe nicht fehlen: ›150 Fatwa-Sprüche zur Selbstbehauptung in Bett und Beruf.‹ und ›Liebe zu dritt, viert oder fünft. Harem statt Scheidung.‹. Oder die Wellness-Tipps: ›Meditative Entspannung: Ayurveda und Muezzinrufe aus Kabul.‹. Und last but not least runden, Diät hin oder her, leckere Kochrezepte jede Frauenzeitschrift ab: ›Bin Ladens Vollwertküche, ein Kochkurs in 13 Suren‹.

Da werden vermutlich die Männer- und Managermagazine nicht lange in der Etappe verweilen wollen. Auch sie werden aus der Deckung kommen, um den Dialog mit dem Islam auf ihre Weise aufzunehmen. Men’s Health: ›Waschbrettbauch durch fünf Minuten Jihad täglich‹.

Jeder Verleger, der weiß, wie zäh sich im Moment Bücher über ›Zen-Buddhismus und multiple Orgasmen‹ verkaufen, freut sich auf den Dialog mit dem Islam, von dem wir nur in jeder Hinsicht profitieren können. Hat uns doch diese an Prügelstrafen so reiche Staatsideologie unermesslich viel zu sagen. Da wird einem Ex-Amtsrichter wie Schill oder einem Ex-Rechtsanwalt wie Schily ganz warm ums Herz. Und auch die Tourismusbranche hofft auf den Dialog mit dem Islam, um ihre Umsatzdelle wieder auszubügeln. Denn auch das Überlebenstraining im brasilianischen Urwald und die Meditationswochenenden mit tibetischen Mönchen sind out. Zeitreisen ins Mittelalter sind in! Zelten mit Mullah Omar, Ali Baba und den vierzig Islamisten.

Aber nicht nur wir, auch die Moslems haben schon mit dem Dialog angefangen. Und wenn man sich erst einmal an den fordernden Unterton des islamischen Dialogs gewöhnt hat, können richtig fruchtbare Gespräche entstehen. So fordern jetzt ganz dialogbereit allenthalben die Moslems, die Amerikaner sollten ihren Kampf gegen Bin Ladens Terroristen und die Taliban vor dem Ramadan beenden. Denn wenn die Moslems erst einmal anfangen, tagsüber zu fasten, um nächtens statt zu schlafen umso hartnäckiger der Völlerei zu frönen, werden sie, was, wie jede diäterfahrene Frau bestätigen wird, ja auch kein Wunder ist, unberechenbar. Dann könnte die Antiterrorfront zusammenbrechen, dann kennt man zwischen Marokko und Indonesien keine Islamisten und Terroristen mehr, sondern nur noch ramadanisierende Moslems.

Als ehemaliger Kölner kann ich mich dieser Forderung nur anschließen. Der Ramadan beginnt in diesem Jahr am 11.11. und es ist keinem Jecken zumutbar, sich in der fünften Jahreszeit im Fernsehen Kriegsbilder und hungernde Afghanen anschauen zu müssen. Deshalb: Waffenruhe bis Aschermittwoch! Laden wir Bin Laden lieber ein, gemeinsam mit den zivilisierten Völkern am Rhein völkerverständigende Lieder zu singen und auf dem Alten Markt gen Mekka zu schunkeln: ›Mer losse de Dom in Kölle‹. Ein singender Bin Laden mit Pappnas vor den Zwillingstürmen des Kölner Doms, das könnte die westliche Welt mit dem Islam versöhnen, denn böse Menschen haben bekanntlich keine Lieder. – Solingen den 23. Oktober 2001