Der dornige Zweig der Abderiten-Familie

Warum die Konservativen auf Joschka Fischer so giftig reagieren

Die liebenswerten Abderiten, die Christoph Martin Wieland in seiner trefflichen Art beschreibt, sollen, glaubt man den Aussagen der satirischen Loge, niemals ausgestorben sein. Seit Jahrtausenden sind sie unter uns. Doch wo kamen sie her? Während die Wiege der Menschheit in Afrika stand, entsprossen die Abderiten griechischem Boden und gehören damit zum europäischen Urgestein. Die Abderiten des Altertums sollen nun, von Mutter Natur mit enormen Fortpflanzungswerkzeugen ausgestattet, sich über den gesamten Erdball ausgebreitet haben. Ich will der Meinung aus berufenem Mund gerne zustimmen, zumal die europäische Agrarpolitik von niemand anders als einem Abderiten erdacht worden sein kann.

Man darf allerdings nicht alle Abderiten über einen Kamm scheren. So wie Homo sapiens sapiens sich in Rassen aufspaltete, so hat sich auch der Stammbaum der Abderiten in viele buntbelaubte Triebe verzweigt. Ein Ast jedoch trägt keine Blätter, sondern Dornen. Denn die deutsche Linie der Abderiten hat spätestens seit Wieland ihre liebenswürdige Schrulligkeit verloren und eine bürokratische Bösartigkeit entwickelt, die man gemeinhin nur den garstigen Giftzwergen aus nordischen Sagen zutraut.

Dieses germanische Abderitentum ist besonders unter Politikern und Journalisten weit verbreitet und in speciem den Parteigängern von CDU/CSU und FDP zu Eigen. Vor wenigen Tagen unternahm die CDU den abderitischen Versuch, mit einem richtig pointierten Wahlplakat die Republik aufzurütteln. Was ihr auch gelang. Denn die ganze Republik schüttelte sich anschließend vor Lachen über die drei Ms, Merkel, Merz und Meyer, die den Bundeskanzler als Verbrecher abbildeten. Dieser Schildbürgerstreich gehört sicherlich noch zu den liebenswürdigeren. Doch zumeist sind unsere Abderiten wirklich ätzend hämische Giftzwerge.

Den Grund für die Entlaubung und Bedornung des deutschen Abderitenzweigs herauszufinden, war nicht leicht, doch mittlerweile sprechen die Indizien für sich. Ihre triste Jugend und ihr noch tristeres Leben hat die deutschen Abderiten so garstig gemacht. Denn sie haben sämtlich dermaßen langweilige Lebensläufe hinter sich, dass man glauben möchte, sie seien schon als Referenten, Beigeordnete, Arbeitskreisvorsitzende, Ausschussmitglieder oder Journalistik-Volontäre auf die Welt gekommen. Was diese Abderiten nun fuchsteufelswild macht, ist die Tatsache, dass sie mit ihren makellos biederen und phantasielosen Lebensläufen nicht das Vertrauen der Wähler genießen und deshalb mit den weichen Oppositionssesseln vorlieb nehmen müssen, während ein Ex-Sponti, der nicht im sauerländischen Abdera, sondern im hessischen Athen groß geworden ist, als Außenminister einem Vietnamveteran und Golfkriegsgeneral die Hand schütteln darf.

Nun würde sich normalerweise niemand für das traurige Leben der CDU-Abderiten interessieren. In Frankfurt aber ist der brutalstmögliche Abderiten-Giftzwerg mit Hilfe illegaler Spenden an die Hebel der Macht gelangt und lässt nun seine Staatsanwälte in abderitischer Spitzfindigkeit ein Ermittlungsverfahren gegen Joschka Fischer in die Wege leiten, dass man glaubt, der Rinderwahnsinn hätte einen direkten Weg vom bovinen ins abderitische Gehirn gefunden. Die ganze Republik würde gerne herzlich über die abderitischen Staatsanwälte lachen, wenn diese nicht auch den Rechtsstaat an sich ganz schön abderitisch aussehen ließen. Und man darf die wirkungsmächtige Bösartigkeit dieser Spezies nicht unterschätzen. Der brutalstmögliche Abderit in Hessen lässt nämlich schon alle seine untergebenen Abderiten, und das sind nicht wenige, in allen hessischen Archiven nach belastendem Material fahnden, so dass wir darauf gespannt sein dürfen, was der sauerländische Abderit im Ermittlungsausschuss demnächst vorweisen wird. Denn ein Ermittlungsausschuss wird aufgrund seiner abderitischen Garstigkeit immer unvermeidlicher, wie Merz das in unbewusster Selbsterkenntnis gestern so bierernst ankündigte.

Natürlich steckt hinter dem Ganzen abderitisches Kalkül. Wenn der Sauertopf aus dem Sauerland Joschka Fischer im Ermittlungsausschuss künftig aus dem Kochbuch der Exterroristin Margit Schiller vorliest, dann wird das Wahlvolk – so hofft man in der CDU – sicher abgelenkt von den Kontobüchern, aus denen man Kohl, Koch and Company vorgelesen hat. Und wenn die ganze Republik erst einmal über den Fischer-Ermittlungsausschuss lacht, dann wird sie die CDU-Spendenaffäre auch nicht mehr so ernst nehmen.

Wie man sieht, bemühen sich die Rechten aus Leibeskräften gegen den faszinierenden Lebenslauf eines Joschka Fischers anzustinken. Dabei sind sie selbst so saft- und kraftlos, dass sie sogar dann noch wie blasse Oberschüler wirken, wenn man sie mit dem Gymnasiasten Joschka vergleicht, der 1969 an einer PLO-Konferenz in Algerien teilnahm. Wahrscheinlich haben die Junge-Union-Abderiten als Fischer mit 20 Außenpolitik betrieb und einen Yassir Arafat traf, in der Ortsgruppe der sauerländischen CDU gerade ein Fortbildungsseminar zum Thema abderitische Parteienfinanzierung besucht.

Würden uns die abderitischen Giftzwerge und Sauertöpfe ihre totlangweiligen Karrieristen-Lebensläufe nicht mit biestiger Verbissenheit als Tugend verkaufen wollen, so könnte man sich köstlich amüsieren und darauf warten bis dieser trockene Abderitenzweig vom Baum fällt. Doch die Abderiten haben nicht umsonst Jahrtausende überdauert. Statt in selbstgewählter Provinzialität zu vertrocknen, wächst das Dornengestrüpp mit Hilfe der Erregungszustände der Volontärinnen und Volontäre aus den Medien immer höher. Aber auch hier gibt es vielleicht noch Hoffnung. Wenn Joschka Fischer einmal keine Lust mehr hat, Außenminister zu sein, wird er vielleicht als Talk-Sponti die Abderiten beim Fernsehen kräftig aufmischen. – Solingen den 21. Februar 2001