Michael Jackson und die CDU

Wenn ich mir die »neue« CDU so anschaue, muss ich immer an Michael Jackson denken. Und die CDU muss ähnliches gedacht haben. Denn wenn ein Schönheitschirurg mit ein paar Eingriffen aus dem netten schwarzen Jungen der Jackson Five eine männliche Barbie-Puppe machen kann, dann müsste es doch eigentlich auch möglich sein, der CDU, wenigstens äußerlich, ein demokratisches Antlitz zu verschaffen. Nun ist Angela Merkel zwar alles andere als eine Barbie-Puppe, aber es stellt sich die Frage, ob sie nicht die schönen blauen Augen zu einer künstlichen Visage beisteuert, die nur geliftet statt wirklich verjüngt ist.

So mancher hat sich in den letzten Wochen vielleicht erstaunt die Augen gerieben. Da tingelt Angela Merkel durch die Provinz und lässt sich mit fast schon basisdemokratischer Akklamation zur neuen Vorsitzenden der CDU ausrufen. Es ist, als habe die CDU plötzlich sämtliche Quoten der Grünen verinnerlicht. Angela Merkel ist ja nicht nur eine Frau, nein, sie kommt obendrein auch noch aus dem Osten und gehört je nach Stimmungslage zu den Fundis oder den Realos. Da fragt man sich doch: Ist das noch die alte autoritäre Partei, die selbst nach 50 Jahren noch nicht wirklich in der bundesrepublikanischen Demokratie angekommen ist?

Doch das radikale Facelifting der CDU wird weit weniger spektakuär, wenn man bedenkt, dass der Partei nicht allzu viele Alternativen blieben, um sich von ihrer dubiosen Vergangenheit reinzuwaschen. Das Bewusstsein, über den Gesetzen zu stehen, scheint bis in die Gründungstage der CDU zurückzureichen. Mittlerweile kann man sich in der Hand jedes männlichen CDU-Funktionärs einen Schreiberschen Aktenkoffer vorstellen. Dem Parteivolk blieb also nur noch die Flucht in die Arme einer Frau, die welch glückliche Fügung! auch noch aus dem Osten kommt. Denn der CDU-Skandal ist so eng mit den Strukturen der alten Bundesrepublik verbunden, dass sich die Ostdeutschen davon kaum betroffen fühlen. Es ist für sie im Grunde ein westdeutscher Skandal. Angela Merkel steht daher konkurrenzlos da, sie ist das weiße, unbeschriebene Blatt, auf das die Wähler all ihre Reinheitsfantasien projizieren sollen. Die Herren im Hintergrund, allen voran Edmund Stoiber, hoffen zwar, aus dem weißen Blatt schnell einen Papiertiger falten zu können, aber den wollen sie scheinbar als Wappentier und Schild behalten.

Es ist aber auch wie im Märchen. Die dunklen Machenschaften von Kohl und Konsorten lassen Angela, nomen est omen, wie einen himmlischen Engel erscheinen, der herabgestiegen ist aus den hehren Höhen ehrlicher Demokraten, um die CDU aus dem schmutzigen Sumpf ins helle Licht absoluter Mehrheiten zu führen. Vor dem Hintergrund der jahrzehntelang betriebenen Geheimbündlerei kann man zwar nur hoffen, dass dies niemals geschehen wird, aber ausschließen möchte ich es nicht. Immerhin hat Angela Merkel so etwas Mütterliches. Bei ihr können sich die konservativen Wähler fühlen wie ein kleiner Junge, der sich an der Schürze seiner Mama ausweint, nachdem ihn der große schwarze Mann erschreckt hat. Mit dem Märchen »Ehrlich währt am längsten« auf den Lippen bringt sie ihn wieder zu Bett und schon schläft der kleine Kerl wieder weiter.

Was ist die CDU? Wer ist Michael Jackson? Sind solche Fragen in einer Mediengesellschaft nicht sowieso obsolet? Vielleicht sollte man sie sogar mit einem Tabu belegen. Denn bei Michael Jackson erzeugen schon unscharfe und verwackelte Nahaufnahmen ein ungutes Gefühl. Da wollen wir bei der CDU lieber gar nicht erst so genau hinschauen und alles wissen. Viel lieber lauschen wir dem Gesäusel des »brutalstmöglichsten« Aufklärers Koch. Die Übelkeit, die da aufsteigt, ist so wunderbar vertraut aus 50 Jahren Bundesrepublik, dass einem ganz warm ums Herz wird. – Solingen 23. März 2000