Kiep Kohl, Baby!

Als der SPD-Fraktionsvorsitzende Peter Struck heute im Bundestag in seiner unnachahmlich trockenen Art, die CDU in Sachen Parteispenden als Serientäter bezeichnete und Kohl an seine so überaus glückliche ›Erinnerungslücke‹ bei der Anhörung vor dem Flick-Untersuchungsausschuss erinnerte, blieb Kohl gar nicht mehr cool und meldete sich wütend zu Wort. Kohl denkt natürlich an seinen Platz in den Geschichtsbüchern, und da er weiß, dass man auf das Urteil der Nachwelt keinen großen Einfluss ausüben kann, will er jeden Schatten, der sich vielleicht auf seine Ära legen könnte, gleich verscheuchen.

Bestechlichkeit macht gar keinen guten Eindruck, selbst beim Kanzler der Einheit nicht, und so dürfte es ihm gar nicht Recht sein, dass Walther Leiser Kiep heute gesagt hat, die CDU-Führung sei immer über alles informiert gewesen. Wie ärgerlich!

Da die CDU hofft, die rotgrüne Koalition in Berlin werde nach der Niederlage bei den Landtagswahlen in Nordrhein-Westfalen auseinanderbrechen, muss sie wohl oder übel den Kelch des Untersuchungsausschusses so rasch wie möglich ergreifen und in einem hastigen Zug hinunterstürzen, um dann nach einem gewaltigen Bäuerchen auf hilfreiche Erinnerungslücken bei sich und den Wählern vertrauend an Rhein und Ruhr anzutreten.

Während Kohl an Statur verliert, will Schröder sich anscheinend den Brioni-Anzug aufreißen, um mit Supermann-Umhang als Retter der Enttäuschten den Holzmännern zu Hilfe zu eilen. Denn Schröder wittert hier seine Chance als Kanzler über sich hinaus zu wachsen. Und so stimmt er sein Stentor-Organ von Rede zu Rede immer tiefer, immer seriöser, immer staatsmännischer. Bald spricht er so tief im sonoren Bass, dass er unter unsere Hörschwelle fällt. Aber dann werden wir ihm seine Worte eben von den Lippen ablesen.

›Mach et, Schröder!‹ hieß es heute schon im Düsseldorfer Express. Welche Hymnen wird die Presse erst anstimmen, wenn Gerhard mit hartem Speer und festem Schild den Vodafonedrachen erlegt, die Mannesmänner aus den Klauen feindlicher Übernehmer befreit und die Holzmänner aus den kalten Fluten ihrer wirtschaftlichen Inkompetenz errettet hat? Sie werden ihm Bismarckdenkmäler bauen! Und wenn ihm dann kein fieser Hagen von hinten in die Hacken tritt, werden wir ihm noch alle zutrauen, die Arbeitslosigkeit – spätestens in der nächsten Wahlperiode – niederzuringen und im Keller des Finanzministeriums einen vom Eichel-Zwerg gehüteten Nibelungenschatz zu heben. Riechen Sie nicht auch im Regierungslager eine ordentliche Prise Galgenoptimismus.

Optimistisch in die Zukunft schauen, können nun auch die ehemaligen Zwangsarbeiter von Porsche. Porsche hat es jetzt zwar amtlich, dass die Ansprüche der Zwangsarbeiter verjährt sind, will aber trotzdem zahlen, freiwillig und zwar großzügige Schlussstrich ziehende 10.000 DM für jeden Zwangsarbeiter. Da bei Porsche im Krieg wohl nur höchstens zehn Zwangsarbeiter schuften mussten, reicht es wohl nicht ganz für ein 911 Carrera Coupé, selbst wenn alle zusammenlegen. – Solingen 24. November 1999