Gardez la dame!

Frauen können denken; selbst wenn sie aus dem Osten kommen. Diese für viele Männer immer wieder schmerzliche Erfahrung mussten wieder einmal die Herren von der CDU machen. Die schwarze Dame aus dem Osten, die sie Hände reibend auf dem Schachbrett der Bundesversammlung gegen Johannes Rau in Stellung bringen wollten, fiel um, bzw. beging den Lapsus, vom zentralen Dogma der CDU, der Unberührbarkeit der PDS, einen halben Millimeter abzurücken. Von einem Besuch der PDS-Fraktion, die sie eingeladen hatte, konnte Schäuble die Dame gerade noch abbringen, aber er konnte nicht verhindern, dass Frau Schipanski von gerissenen Journalisten zu der Äußerung verführt wurde, sie würde sich auch von PDS-Stimmen wählen lassen. Nun sind Sätze, wie »Ich grenze mich von der PDS ab, diese Partei aber nicht aus.«, sicherlich so geflügelt, dass sie bei der ZEIT als ›Worte der Woche‹ erscheinen werden, obwohl sie außer einem gewissen stilistischen Schliff nichts Außergewöhnliches an sich haben. Doch der Politiker und der Journalist liest wie ein eingeweihter Freimaurer natürlich mehr in diesen Worten als ein vernünftiger Mensch, er durchschaut den verborgenen Sinn und ist – je nach Standort entsetzt oder schadenfroh.

Während die meisten ostdeutschen CDU-Mitglieder, als gelernte Blockflöten, schon immer mit der PDS kooperiert haben, bricht bei einem CDU-Mitglied aus dem Westen gleich wieder das Heitmann-Syndrom und der Angstschweiß aus. Es ist zum Mäusemelken: die CDU-Oberen haben einfach nicht dazugelernt. Sie begehen zweimal hintereinander den gleichen Fehler. Ossis brauchen zwar offizielle Sprachregelungen, wie der Wein das Spalier, aber sie sind ebenso Meister in der geschickten Hintertreibung dieser Lehrsätze. Und Professoren, die an unseren Universitäten jeden Unsinn verbreiten dürfen, ohne von irgendjemandem zur Rechenschaft gezogen zu werden, ja noch nicht einmal dazu verpflichtet werden können, diesen Unsinn überhaupt zu lehren, solche unkündbaren, lebenslang Versorgten lassen sich vielleicht einen Maulkorb umhängen, aber sie werden sich doch nicht die Mühe machen, eine Glaubensformel auswendig zu lernen, um sie dann auf Abruf herunterzuleiern. Und selbst wenn Schäuble und Stoiber keine Ahnung von den Zuständen an deutschen Universitäten haben sollten, dann hätte sie das Beispiel Biedenkopf das Fürchten lehren sollen. Finger weg von Professoren!

Die Konservativen haben eben ein falsches Frauenbild. Fügsam und brav wie Angela Merkel oder erfahren in Formelkompromissen wie Röstel und Radcke, so stellt sich ein Christunionist die moderne Frau von heute vor.

Und nun steht die Union dumm da, denn es war ihre eigene Bundespräsidentin in spe selbst, die die PDS nun wohl endgültig hoffähig gemacht hat. Jetzt ist die gesamte PR-Kreativität der CDU gefragt, um die letzten Scherben der nostalgischen ›Freiheit statt Sozialismus‹-Kampagne zusammenzukehren. Augen zu und durch! Gardez la Dame! Schart euch um Frau Schipanski, nehmt sie schützend in eure Mitte, sonst wird sie geschlagen, oder schlimmer noch: sie läuft aus dem Ruder. Und dann kann allein Johannes Rau noch die roten Horden aus dem Osten aufhalten. – Solingen 9. März 1999