Wenn zwei das Gleiche tun…

Wenn zwei das Gleiche tun, ist es noch lange nicht Dasselbe, sagte meine Mutter immer, wenn sie auf mein »Aber der Paul darf doch auch, aber der Paul hat doch auch, aber der Paul macht doch auch« nicht mehr weiter wusste und zu Spruchweisheiten Zuflucht nahm. Auch heute noch mag ich die Allgemeingültigkeit dieses Satzes nicht gerne anerkennen. Doch ich muss, denn das Leben selbst lehrt, es ist alles relativ.

Beispiele gibt es viele: Nehmen wir z. B. die PKK und die UCK. Da man uns zurzeit gerne einreden möchte, dass die PKK viel gefährlicher sei, als die RAF der 70er Jahre, muss es wohl einen wichtigen Unterschied zwischen der UCK und der PKK geben, den ich bisher übersehen habe. Aber vielleicht sind die Leute, die so martialisch vom Kurden-Terror sprechen, ja wirklich der Meinung, dass die Morde an Ponto, Buback, Schleyer im Vergleich zum aktuellen Kurden-Terror Kavaliersdelikte seien. Vielleicht ist es aber auch eine aus den Zeiten des Kalten Krieges verschleppte Kurzsichtigkeit auf dem rechten Auge, die den Unterschied ausmacht zwischen dem verabscheuungswürdigen Völkermord der Serben im Kosovo und der moderaten Ordnungspolitik der Türken in Kurdistan.

Aber auch die Türken befinden sich politisch nicht immer auf der Sonnenseite, denn auf der Bühne der politischen Relativitätspraxis müssen sie häufig die Bösen spielen. Während wir der Türkei grollen, dass sie den PKK-Chef Öcalan, der ja immerhin schlimmer ist als Baader, Meinhof und Bande zusammengenommen, mit der Todesstrafe bedroht, findet Joschka Fischer, und er legt sein Gesicht dabei sorgsam in Falten, die Hinrichtung eines Deutschen in den USA lediglich bedauerlich.

Ich frage mich, ob die drei Minister des Auswärtigen Amtes seit 1985 sich für das Leben Karl LaGrands ebenso hartnäckig eingesetzt haben, wie für das Leben von Helmut Hofer, der im Iran zum Tode verurteilt worden ist. Aber welcher Politiker, der eine mütterliche Erziehung wie ich genossen hat, würde schon je darüber nachdenken, diejenigen US-Bundesstaaten, in denen die Todesstrafe vollstreckt wird, mit einem Wirtschaftsboykott zu bedrohen?

In Arizona, dem sonnenverwöhnten US-Bundesstaat, in dem LaGrand mit der Giftspritze hingerichtet wurde, werden sogar die Grundfesten der feministischen Weltanschauung relativiert. Arizona hat nämlich eine weibliche Gouverneurin, und ihr Kabinett besteht zudem überwiegend aus Frauen. Und da Frauen die besseren und menschlicheren Menschen sind, wie uns der Feminismus gelehrt hat, hätte man auf Gnade für LaGrand hoffen können. Doch das Gnadengesuch LaGrands wurde von der Gouverneurin abgelehnt, weil sie wiedergewählt werden möchte. Und der Vollzug der Hinrichtung wurde dann von der weiblichen Pressesprecherin der Strafanstalt in männlich-nüchternen Worten bekanntgegeben.

Wenn zwei das Gleiche tun, ist es noch lange nicht dasselbe. Man könnte noch weitere Beispiele finden, um die Wahrheit dieses Satzes zu belegen. Aber selbst dieser Satz ist noch nicht relativ genug. Er ist steigerungsfähig. Wenn Derselbe das Gleiche tut, ist es noch lange nicht Dasselbe. Trittin zum Beispiel war vor und nach der Wahl gegen Atomkraft, doch heute ist das ein Skandal. Aber es geht noch relativer: Wenn Derselbe was Anderes tut, ist es immer noch Dasselbe. Bestes Beispiel: Unser Kanzler. Ob er heute Hüh und morgen Hott, oder heute Hott und morgen Hüh sagt, ist völlig egal, denn es ist eh ein und dasselbe. – Solingen 26. Februar 1999