Zu spät, die Hessen wählen

Die Hessen haben gewählt und das Ergebnis will nicht so recht schmecken. Der offene Ausländerhass ist regierungsfähig geworden. Nun mag man höhnen, dass die CDU der SPD mit ihrer am Blut orientierten Staatsbürgerschaftslehre in der neuen Mitte Platz gemacht habe. Doch das ist nur die halbe Wahrheit. Die CDU ist zwar nach rechts gerückt, doch die Mitte ist mitgerückt. Und wie man Schröder kennt, wird er alles versuchen, hinterher zu rücken, um ja nicht den Anschluss zu verlieren.

In den Landtagswahlen in diesem Jahr werden wohl noch einige Maßstäbe verrückt werden. Erfolg macht süchtig, und der Stoff ist billig, denn die Ausländer, auf deren Rücken die Köche für unsere Republik eine schwarzbraune Suppe anrühren, können ja noch nicht einmal aus Protest rot, grün oder gelb wählen. Den Koch jetzt zu fragen, ob er den beschämenden Erfolg seiner Gossenpolitik als einen Makel für seine Regentschaft in Hessen empfindet, ist naiv. Koch ist genau das, wofür ihn viele halten.

Während fremdenfeindliche Hessen sich wieder in der CDU zu Hause fühlen, haben 4% der Wähler den Grünen den Rücken gekehrt. Warum? Da gibt es zwei Möglichkeiten. Entweder wollen diese 4% keine grüne Politik mehr, oder sie wollen mehr davon. Die Grünen sollten höllisch aufpassen. Während die FDP, die Mehrheitsbeschafferin aus Tradition, ihre betrogenen Wähler immerhin durch lukrative Steuerschlupflöcher belohnt hat, können die Grünen grüne Wähler nur durch eine Verwirklichung grüner Politik zufriedenstellen. Daher muss man die grüne Nibelungentreue der verbliebenen 7% der Wähler durchaus lobend zur Kenntnis nehmen – oder aber ihr grünes Weltbild bezweifeln. Fragen über Fragen, auf die uns die Wahlforscher vielleicht einmal eine Antwort geben werden: Wer sind die wahren Grünen, die vier verschwundenen Prozent oder die sieben verbliebenen? Und wer ist der wahre Führer der christlich-deutschen Horden? Der stahlblonde Stoiber, die Lichtgestalt aus Bayern, oder der seltsame Schäuble oder der gealterte Burschenschaftler, der nun bald Hessen regieren wird?

Doch Deutschland braucht ja gar keinen Führer, das Volk, dessen Weisheit grenzenlos ist, hat 100 Tage nach der Bundestagswahl alles wieder festgezurrt, damit sich ja nichts bewegt. Die Blockade jeglicher Politik, die für kurze Zeit durchbrochen war, ist wieder wasserdicht. Die Machtbalance zwischen Bundestag und Bundesrat ist wieder hergestellt, nichts geht mehr. Die neue Mitte ist mobiler als mancher wahrhaben will. Sobald sich das politische Gleichgewicht zu verändern droht und Bewegung in die Politik kommt, rückt sie blitzschnell nach links oder nach rechts und zieht den Karren wieder in den Dreck. Die Mitte, das ist ein fürchterlicher Albdruck, der dieser Republik so schnell nicht vom übervollen Bauch springen wird. – Solingen 7. Februar 1999