Der rote Stoiber oder Clement aus dem Sack

Wolfgang Clement, dieses Sympathiepaket von Ministerpräsident, versteht sich in letzter Zeit verdächtig gut mit Edmund Stoiber. Der Nordrhein-Westfale lud den bayrischen Ministerpräsidenten sogar vor kurzem nach Düsseldorf ein, um mit ihm vertrauliche Gespräche von Landesvater zu Landesvater zu führen.

Da Stoiber fließend Hochdeutsch spricht, konnten die beiden Ministerpräsidenten wortwörtlich unter vier Augen zusammensitzen. Für Clement war dies scheinbar ein fruchtbares Gespräch, denn es sieht so aus, als wolle Clement in die Rolle Stoibers beim Einschüchtern des Bonner Koalitionspartners schlüpfen. Schließlich will die SPD nicht alles anders machen. 16 Jahre lang hat die CDU mit der FDP koaliert, während sich die CSU lustvoll in den Koalitionspartner verbissen hat. Die Aufgabenteilung zwischen CDU und CSU funktionierte einwandfrei und sicherte den Christdemokraten sechzehn lange Jahre die Macht. Die SPD kann da natürlich nicht mithalten, denn man hat noch keine Schwesterpartei, die einem die Drecksarbeit willig abnehmen würde. In MacPomm versucht die SPD zwar gerade eine Schwesterpartei aufzubauen, aber in welche Richtung dieser Schuss loslegen wird, ist noch gar nicht so sicher.

Die SPD muss also den gefährlichen Weg der inneren Zweifaltigkeit gehen: hier das Anti-Atommäntelchen Michael Müller aus Düsseldorf, dort der Atomlobbyist Clement, ebenfalls aus Düsseldorf.

Nachdem Jürgen Trittin, der Umweltminister, die von Atomlobbyisten besetzten Atom-Beratungsgremien auflöste, ohne den Bundeskanzler vorher um Erlaubnis zu fragen, ließ Schröder Weihnachten den Clement endgültig aus dem Sack. Noch 40 Jahre sollen die Atomkraftwerke weiterlaufen, tönte Clement und hielt den Grünen damit ein besonders rotes Tuch vor die Nase. Clement ist für die Rolle als roter Stoiber und Sackbewohner wie geschaffen, zeigt er doch den Genossen im Bund seit Monaten, wie man die Grünen durch gezielte Knüppelschläge dressieren und abrichten kann. Und die SPD in NRW ist mindestens so konservativ und verstockt wie die CSU in Bayern. Doch um im Bilde zu bleiben: Der Knüppel springt nur so lange aus dem Sack, bis er bricht. Und was Clement noch fehlt, um ein wahrer Stoiber zu werden, ist nicht nur der schwungvolle weißblonde Haarschopf, sondern auch die relativ niedrige weißblaue Arbeitslosenstatistik.

Aber Clement fängt ja auch erst an. Haare lassen sich färben und Statistiken kann man mit etwas Fantasie geradebügeln. – Solingen 28. Dezember 1998