Comeback für Al Capone?

Die Geschichte wiederholt sich doch! Wenn auch als Farce. In Chicago haben 14 Verwaltungsbezirke per Volksentscheid wieder die Prohibition eingeführt, jenes Gesetz aus den 30er Jahren, dass für zahlreiche Karrieren so überaus förderlich war und der Welt den amerikanischen Krimi schenkte, dieses hervorragendste Kulturgut der neuen Welt.

Während also hierzulande darüber nachgedacht wird, Haschisch und andere weiche Drogen zu legalisieren, um bestimmten Berufsgruppen das Leben schwer zu machen, geht der freie Amerikaner gemeinsam mit seinem Reverend – wenigstens in Chicago – den entgegengesetzten Weg.

Noch ist der illegale Alkoholschmuggel kein lohnendes Geschäft, so dass die Al Capones der neunziger Jahre ihr klassisches Sortiment aus Heroin, Kokain und chemotherapeutischen Designerdrogen noch nicht um Jack Daniels oder Johnny Walker ergänzt haben. Aber wer weiß, wie viele Alkoholsümpfe die Amerikaner noch trocken zu legen gedenken. Vielleicht können wir schon bald ein grandioses Comeback des legendären Al Capones miterleben, der mit dem unerschrockenen Pionier- und Geschäftsgeist eines waschechten Amerikaners ein florierendes Imperium mitten in der tiefsten Depression aufbaute, viele Jugendliche von der Straße holte und steuer- und abgabenfreie Jobs en masse schuf.

Vielleicht sollte unsere rotgrüne Koalition sich daran ein Beispiel nehmen. Anstatt alles zu erlauben, um es mit wollüstigem Händereiben besteuern zu können, sollten sie lieber möglichst viele Wirtschaftszweige von jeglicher Steuer- und Abgabenlast befreien – und verbieten. Nehmen wir Aspirin, dieses Allerweltsheilmittel, für das Bayer neuerdings sogar Werbung machen muss: Verbietet es, und ihr schafft hunderttausend krisensichere Jobs abseits der spießigen Apotheken. Oder Bier, das würde mindestens 1,2 Mio. Arbeitsplätze schaffen. Ganz zu schweigen von einem Kaffeeverbot. Dann hätten wir Ruhe vor den bunten Tschibo-Kramläden, in denen Weiß-der-Teufel-was verkauft wird und könnten endlich den vollen konspirativen Kaffeegenuss in einer dunklen Seitenstraße oder unter einer Brücke erleben.

Doch ich rede gegen Wände, denn in dieser Bundesregierung sitzt niemand mit wirtschaftlichem Sachverstand. Kein Kabinettsmitglied hat jemals Unternehmersinn und Geschäftsgeist wie Al Capone bewiesen. Noch nicht einmal Joschka Fischer, dem ja schon allerhand vorgeworfen wurde, kann auch nur ein Quäntchen Erfahrung als Dealer vorweisen. Wie soll da in vier Jahren eine Million Jobs geschaffen werden?

Keine Prohibition, kein Jobwunder. Und kein Cotton Club. Kein Club kein Jazz. Und ohne Jazz geht sowieso überhaupt nichts. Und damit wären wir bei den kulturellen Folgen dieses bundesdeutschen Libertinismus. Wer großzügig Bier, Wein, Schnaps und Champagner unters Volk verteilt, braucht sich nicht zu wundern, dass Hinz und Kunz, Arm und Reich von Kultur nichts wissen wollen.

Aber was macht dieser Naumann dagegen? Nichts! Der käme nie auf die Idee, das Sudelbuch zu verbieten, damit ich mit dem Sudeln endlich mal ein paar Mäuse machen kann! Womöglich will der demnächst die Kultur im Internet sogar noch fördern! Na dann Prost! – Solingen den 12. Dezember 1998