Berti, vergiss nicht Kohl mitzunehmen!

Gestern hat der statistisch gesehen erfolgreichste Bundestrainer endlich das Handtuch geworfen. Soviel zum Wert von Statistiken. Er hat zwar mit der Nationalmannschaft in 8 Jahren nur 12 Niederlagen erlitten, dafür waren die aber immer besonders hart. Er hätte sich ein Vorbild an Becker und Beckenbauer nehmen sollen: die haben immer die wichtigen Spiele gewonnen. Und so war Berti nie sehr beliebt. Erschwerend kam hinzu, dass er, wie Kohl, die Nachfolge einer Lichtgestalt antrat. Aber wie Kohl hatte er sich in sein Amt verbissen, der Terrier. Bis selbst Kohl-treue Hauspostillen, und die sind nach 16 Jahren ja mittlerweile Legion, ihm den Gnadenschuss versetzten.

Heute üben sich die Kommentatoren in den Sportredaktionen in betonter Ausgewogenheit. Man möchte nicht den Eindruck erwecken, nachzutreten – das hat Berti nach dem WM-Aus schon zur Genüge vorgeführt. Die meisten Kommentatoren können es sich nicht verkneifen, Parallelen zu Kohl zu ziehen. Kann ich verstehen, ich kann es mir ja auch nicht verkneifen.

So schreibt etwa die Berliner Zeitung unter der Überschrift ›Vogts tritt ab, bitter für Kohl‹:

›Bild‹, von Springers Führung auf Polit-Kurs gebracht, attackiert den Kanzler im Wahlkampf nicht direkt. Die aufgestaute Kritik entlud sich auf dessen Übungsleiter. Berti Vogts ist nun ein Mann von gestern, altmodisch, unbeweglich, langweilig: ein Elefant eben.

Ist Berti das Bauernopfer, mit dem Kohl seinen Kopf retten will? Nein, das glaube ich nicht. Die Parallelen zwischen Vogts und seinem Übervater Kohl sind zu offensichtlich, und das lässt hoffen, dass Vogts Kohl gleich mit in den Ruhestand nimmt.

So wie Berti seinen Intimfeind Matthäus ins WM-Kader aufnehmen musste, weil nichts mehr ging, so nahm Kohl seinen parteiinternen Widersacher Späth mit ins sinkende Schiff. Und als das immer noch nichts half, durfte Stinkefinger Effenberg wieder mitspielen, bzw. Wahl-Ossi und Persona non grata Biedenkopf letztens im Bundestag den Kohlschen Schlingerkurs verteidigen. Und so lustlos, wie Bertis Mannen da auf Malta herumkickten, so lustlos verrichten die Kohlschen Minister seit Jahren ihr Geschäft. Und so gehässig, wie nun Bertis Verdienste um die Nationalmannschaft gelobt werden, so lobt Schröder des Kanzlers Verdienste um die deutsche Einheit.

– Noch 19 Tage… – Solingen 8. September 1998