Von Konjunkturzyklen und Wahlperioden

Jetzt hat auch die CDU ihren Stollmann, und was für einen: Lothar Späth, das Cleverle hat sich von sicherlich großen Versprechungen seines Männerfeindes Kohl locken lassen, wieder in die Politik zurückzukehren, um der Schröder-Mannschaft Paroli zu bieten. Späth ist gut und gerne für anderthalb Prozentpunkte gut, und wenn am Ende abgerechnet wird, werden wir sehen, ob das letzte Aufgebot Helmut Kohls, sozusagen sein wirtschaftspolitischer Volkssturm, etwas genützt hat. Wirklich entscheidend für die Wahl ist jedoch etwas ganz anderes, nämlich der Konjunkturzyklus.

Unbemerkt von der Öffentlichkeit tun sich nämlich skandalöse Dinge in der Republik. Ich habe dem Bundeswahlleiter einen Brief geschrieben, in dem ich ihn aufgefordert habe, die Wahl um ein paar Monate zu verschieben. Zur Begründung fügte ich an, dass Kohl, seitdem er mit Genschers Hilfe vor Äonen die Macht übernommen hat, vom zyklischen Auf und Ab der Wirtschaft einseitig und unrechtmäßig profitiert hat.

Wie wir alle seit Keynes wissen, verläuft die Konjunktur in zyklischen Wellen: mal geht es aufwärts, mal geht es abwärts. Ein Konjunkturzyklus dauert exakt vier Jahre und ist damit genau so lang wie eine Legislaturperiode. Kohl ist, wie wir wissen, 1983 nicht in einer regulären Wahl an die Macht gekommen, sondern durch ein getürktes Misstrauensvotum, also durch eine Beugung parlamentarischen Rechts. Geschickt hat er damals den Termin für die Neuwahlen in den März gelegt. Kohl wollte durch diese Terminierung damals nicht, wie viele glaubten, eine braun-schwarze Traditionslinie zu Adolf Hitler ziehen, der exakt 50 Jahre zuvor zum Reichskanzler gewählt worden war. Er wollte schlicht und einfach alle kommenden Legislaturperioden mit dem Konjunkturzyklus in Übereinstimmung bringen, damit es vor jeder Bundestagswahl mit der Wirtschaft und mit seiner Popularität aufwärts ginge. Nur durch diesen Trick konnte er sich so lange an der Macht halten.

Pünktlich zur Mitte einer Legislaturperiode, also dann, wenn es für Kohl völlig ungefährlich ist, befindet sich Deutschland im Konjunkturtief. Die Umfragewerte für die Regierung sind im Keller, die Opposition befindet sich in einem Stimmungshoch. Doch das nützt ihr gar nichts. Kaum nähert sich nämlich der Wahltag, steigt das Wirtschaftswachstum stärker und die Arbeitslosigkeit schwächer. Der Wähler denkt: Weiter so Deutschland! Und er liest auf CDU-Plakaten: Weiter so Deutschland! Und wieder ist eine Wahl für Kohl gewonnen und die Opposition macht lange Gesichter.

Ein Politikwechsel ist in Deutschland nur möglich, wenn der Wahltermin verschoben und damit die Synchronisierung der Legislaturperiode mit dem Konjunkturzyklus aufgehoben wird. Jeder mündige Bürger sollte daher nun zur Feder greifen und schriftlich eine Verschiebung des Wahltermins beantragen. Leser des Sudelbuchs können dies bequem per E-Mail machen. Schicken Sie einfach Ihren Antrag unter Berufung auf diese Sudelei per E-Mail an den Bundeswahlleiter. Sobald eine Millionen Bürger eine Verschiebung beantragt haben, muss der Bundeswahlleiter die außerordentliche Wahlkommission einberufen, die dann einen neuen Termin festlegt. Und dann sind wir Kohl endlich los! – Solingen 18. August 1998